Nordische Kunsthochschule - Zur Geschichte der HfK Bremen

„Urgründe“ - Die Hochschule für Künste Bremen erforscht ihre Vorgeschichte
Seltsam ist es schon – aber die „braunen Jahre“ 1933-45 in der Geschichte der Hochschule für Künste waren sechs Jahrzehnte lang im Haus tatsächlich nie ein Thema. Sie wurden nicht schöngeredet oder verharmlost, nein, diese Jahre waren einfach nicht existent. Selbst in den hochpolitischen 60-er und 70-er Jahren, als die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus Hochkonjunktur hatte, auch als Konzerne wie Daimler Benz oder die Deutsche Bank längst ihre Vergangenheit aufgearbeitet hatten, interessierte sich von den sonst so kritischen Künstlern nicht einer für die Verstrickungen der eigenen Institution, weder für die Nordische Kunsthochschule (1934-45), noch für die Parallelgründung, die Nordischen Musikschule (1942-44).
Vielleicht weil Bremen nie den Ruf einer Kunstmetropole hatte und deshalb keine spektakulären wissenschaftlichen Erkenntnisse zu erwarten waren? Aber ganz so uninteressant war die NKH nicht. Alleine die Tatsache, dass als Gründungsrektor der Worpsweder Maler Fritz Mackensen amtierte, deutet auf Zusammenhänge hin, die es zu untersuchen lohnt. Auch das Faktum, dass Ottomar Anton, Professor für Gebrauchsgraphik, es bis zum „Künstlerischen Berater des Reichsführer-SS“ brachte, hätte hellhörig machen sollen – und wenn man Plakate von ihm sieht, dann wird auf den ersten Blick klar, dass es sich keineswegs um künstlerische Provinzerzeugnisse handelt, sondern dass hier jemand an zentraler Stelle des Regimes sehr gut im Geschäft war.
Aber die Hochschule musste erst einen Anstoß von außen bekommen, um sich endlich ernsthaft mit diesem verdrängten Kapitel ihrer Geschichte zu befassen.Der Kölner Historiker Hans Hesse war auf den Fall Kurt Elvers gestoßen, seinerzeit Student an der Nordischen Kunsthochschule. Nach dem Stauffenberg-Attentat von 1944 hatte er sich zu der unvorsichtigen Äußerung hinreißen lassen „Schade, dass es nicht geklappt hat, dann hätten wir jetzt Frieden“, ein Kommilitone denunzierte ihn bei der Hochschulleitung und nur zwei Monate vor Kriegsende wurde er in Hamburg hingerichtet. Das Schicksal von Kurt Elvers war in Bremen so gut wie unbekannt - wie fast alles von der NKH.
Erst jetzt, nach 67 Jahren wurde zur Erinnerung vor dem früheren Gebäude der Nordischen Kunsthochschule Am Wandrahm ein „Stolperstein“ für Kurt Elvers verlegt, und die Hochschule für Künste veröffentlichte Hans Hesses Erzählung „Bis zur Narbe“, in der er anhand der Entnazifizierungsakten die Vorgänge von 1944/45 rekonstruiert hatte.
In diesem Zusammenhang veranstaltete die HfK im Februar 2011 ein Symposium zur Nordischen Kunsthochschule mit dem Titel „Aus dem Urgrund deutsch-nordischen Volkstums“ – ein Zitat aus der programmatischen Erklärung Fritz Mackensens von 1934.
Ziel dieses Symposiums war es, erste Fragestellungen zu entwickeln und die Richtung einer wissenschaftlichen Erforschung der NKH und der Nordischen Musikschule zu skizzieren.
Welche Verbindungen bestanden zwischen der Nordischen Kunsthochschule und Worpswede, welche Bezüge zur Heimatbewegung, zur Böttcherstraße, zur „Nordischen Bewegung“? Welche Netzwerke gab es?
Mit Hilfe welcher Fraktionen des dschungelhaften NS-Apparates war es 1934 überhaupt zur Gründung der NKH gekommen? Mit welchen Zielen und Intentionen? Besonders interessant, weil sich Hitler frühzeitig gegen die Gründung weiterer Akademien in Deutschland ausgesprochen hatte.
Erschöpfte sich die völkische Ausrichtung der neuen Kunsthochschule im tönenden Pathos von Gründungsreden, oder wurde in der Praxis der kommenden Jahre davon real etwas umgesetzt? Was?
Welche Berufungen wurden vorgenommen, welche Entlassungen? Was steckte hinter dem mehrfachen Wechsel der Rektoren? (Mackensen, Horn, Hengstenberg) Welche Kunstauffassung vertraten die Professoren? Waren sie an den „Deutschen Kunstausstellungen“ des Regimes oder an anderen kulturellen NS-Großveranstaltungen beteiligt? Wie sah der Lehrbetrieb praktisch aus? Wer studierte eigentlich an der NKH?
Da bis auf einen Aufsatz von Hans Hesse keinerlei Vorarbeiten existieren, wurde schon auf dem Symposium klar, dass zur Aufarbeitung dieser Fragen ein größer angelegtes Vorhaben notwendig ist, personell und finanziell hinreichend ausgestattet.
Bedauerlicherweise stellte sich bald heraus, dass ein Antrag an eine der großen deutschen Forschungseinrichtungen wenig Aussicht auf Erfolg verhieß, so dass ein anderer Weg eingeschlagen werden musste.
Die junge Historikerin, welche mit der Vorbereitung des Forschungsantrages beauftragt war, wird nun in Kooperation mit der Uni Bremen das überlieferte Archivmaterial systematisch erschließen und einen Überblicküber die Geschichte der NKH erarbeiten. Außerdem wird im Sommersemester 2012 an der HfK eine Lehrveranstaltung zum Bildhauer Ernst Gorsemann (von 1934 bis 1946 Professor an der Hochschule) angeboten.
Parallel hierzu soll ein langfristig angelegtes offenes Netzwerk aller interessierten Institutionen und Einzelpersonen installiert werden, das in einzelnen Schritten je nach Möglichkeit die Forschung vorantreibt. Die Hochschule für Künste könnte hierzu die Logistik und ihre Öffentlichkeitsarbeit zur Verfügung stellen.
Das ist zwar nicht der erhoffte große Wurf, aber ein solches Netzwerk wäre durchaus vielversprechend. Schon heute bestehen punktuelle Kooperationen mit der Uni Bremen, dem Worpsweder Museumsverbund, der Barkenhoff-Stiftung, dem Focke-Museum mit seiner vorgeschichtlichen Abteilung, dem Gerhard-Marcks-Haus mit dem Nachlass von Gorsemann, der Städtische Galerie Buntentor mit Material zu Hengstenberg sowie mit freien Wissenschaftlern und Journalisten.
In gewisser Weise bildet dieses angestrebte Netzwerk auch die Strukturen ab, in die seinerzeit die NKH eingebunden war. Da in den anderen Institutionen bisher ebenfalls erstaunlich wenig über die Jahre 1933-45 geforscht worden ist, werden möglicherweise überraschende Querverbindungen sichtbar. Jedenfalls steht zu hoffen, dass sich Schritt für Schritt ein schärferes Gesamtbild der bremischen Kulturlandschaft während der NS-Zeit ergibt und sich die Nebel ein wenig mehr lichten, die sich so befremdlich lange über diesen „Urgründen deutsch-nordischen Volkstums“ gehalten haben.
Ralf Schneider