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Verleihung des Frese-Design-Preises 2021 an 
drei HfK-Absolvent*innen

Verleihung des Frese-Design-Preises 2021 an 
drei HfK-Absolvent*innen

International besetzte Jury verleiht den hochdotierten Frese-Design-Preis an Bojana Petković, Sarah Frede, Livia Brocke

Unter dem Motto „The Influencers Taubenheim-Paradiesvögel“ der Hochschule für Künste Bremen (HfK) präsentieren 40 Absolvent*innen der Studiengänge „Integriertes Design“ und „Digitale Medien“ ihre Abschlussarbeiten in diesem Jahr online auf influencerstaubenheim.de. 
Einen Höhepunkt bildet die Verleihung des Frese-Design-Preises im Rahmen der diesjährigen Ausstellungseröffnung „Paradiesvögel“ im Open Space auf dem Domshof am Di, 27. Juli, um 18 Uhr. Zwei Wochen sind dort die Arbeiten der Preisträger*innen und Belobigten analog auf einer Ausstellungsfläche von 120qm zu sehen.

Der mit 10.000 Euro dotierte Frese-Design-Preis wird seit 2014 an junge Designer*innen und Gestalter*innen der HfK Bremen verliehen. Er hilft dabei, Absolvent*innen aus dem Fachbereich Kunst und Design mit ihren Arbeiten national und international sichtbar zu machen, ihr gestalterisches Engagement zu fördern und den beruflichen Start zu unterstützen.
Zur Ausstellungseröffnung am 27. Juli 2021 zeichnete die international besetzte Jury die Studierenden Bojana Petković, Sarah Frede, Livia Brocke als Frese-Design-Preisträger*innen aus. Mahshid Mahboubifar, Hannah Huber, Shih-hsuan Yen wurden außerdem für ihre Arbeiten mit den Frese-Design-Belobigungen gewürdigt. Gemeinsam stellen die sechs Frauen ihre Arbeiten vom 27. Juli bis 7. August im Open Space auf dem Domshof Bremen aus.

Der Vorstand der Petra und Dieter Frese-Stiftung, sowie Prof. Roland Lambrette, Rektor der HfK Bremen, beglückwünschten die drei Preisträger*innen und Belobigten und würdigten die mal offensiv, mal hintergründig, mal abstrakt inhaltliche und gestalterische Auseinandersetzung mit gesellschaftlich relevanten Fragestellungen, in denen Nachhaltigkeit als Kategorie des Designs präsentiert wird, Genderdiskurse in modische und fotografische Diskurse einfließen oder Ressourcenmanagement kritisch hinterfragt wird.

Mit dem Frese-Design-Preis sind Preisgelder in der Höhe von 5.000 Euro für den 1. Preis, 3.000 Euro für den 2. Preis sowie 2.000 Euro für den 3. Preis verbunden.

1. Platz
Bojana Petković
An Ode to the Post-Nature - Crystal World
(Digitale Medien, Master of Arts)


(Werkbeschreibung) Kinder lieben die Experimentierkästen, mit denen funkelnde Kristalle über Nacht gezüchtet werden können. Bojana Petković hat das zu ihrer Kunst gemacht. Sie nutzt elektronische und digitale Medien, um natürliche Bio- und Ökosysteme zu erforschen, zu simulieren und zu imitieren. Für ihren Master in Digitale Medien (bei Prof. Andrea Sick und Prof. Dennis Paul) ließ sie nach dem Vorbild der Natur Stalagmiten wachsen und kristalline Strukturen wuchern. Verweisen soll das auf Mineralien, also Kristalle, die aufgrund menschlicher Aktivitäten unkontrolliert etwa auf Mülldeponien oder rund um Minenfelder entstehen – und ebenso wie Gesteine und Sedimente als Abdruck und Beleg für unsere Existenz in der Zukunft gesehen werden könnten. 


Link zur Arbeit: Bojana Petković | Influencers Taubenheim

Aus den Begründungen der Jury zur Vergabe an die Preisträger*innen:
In Zeiten einer fast schon faktisch irreversiblen Naturverformung spekuliert die Ode an die "Post-Natur" von Bojana Petkovic über die zukünftigen Fossilien, die nach uns hier zurückbleiben könnten: die Kristallwelt, die in die "neue Natur" eingebrannten Spuren des menschlichen Fußtritts. Laborähnliche Apparaturen und Lichtständer entführen uns in die Welt der Materialwissenschaft, in der schon jetzt immer mehr offiziell anerkannte Mineralien direkt mit menschlicher Aktivität in Verbindung gebracht werden können, wie der Guardian bereits 2017 zitierte. Maschinerie, die Mineralien erzeugt, rhythmische Geräusche von Motoren und Flüssigkeitstropfen, Labor-Petrischalen mit verschiedenen, zuvor gewonnenen Kristallen - dieses Setting lässt uns über die Vermischung von Natur und Kultur und die Abnahme von Orten und Zeiten des Asyls für Menschen und andere Lebewesen nachdenken. Wir sehen Bojana Petkovics Arbeit als eine hochprofessionelle Demonstration von dringenden Themen des Posthumanismus und Postanthropozentrismus, die auf eine sehr kluge und dennoch sehr zugängliche Weise ausgeführt wird.

In the times of almost actual irreversible natural distortion, Ode to the “Post-Nature” from Bojana Petkovic speculates on the future fossils which could be left here after us: the Crystal World, the traces of the human footstep burned into the "new natural". Lab-like apparatus and light stands carry us into the world of material science, where already now more and more officially recognised minerals can be directly connected to human activity, as quoted in Guardian already in 2017. Mashine creating minerals, rhythmic sounds of motors and liquid drops, laboratory petri dishes with different previously retrieved crystals - this setting makes us contemplate on minging of nature-culture and diminishment of places and times of asylum for humans and other creatures. We see Bojana Petkovic's work as a highly professional demonstration of urgent topics of post-humanism and post-anthropocentrism executed in a very clever and yet very accessible manner

2. Platz
Sarah Frede
GHOST STORIES
(Integriertes Design, Master of Arts)


(Werkbeschreibung) Sarah Frede ist eine in Bremen ansässige Modedesignerin, die gerne mit Künstler*innen aus verschiedenen Bereichen zusammenarbeitet. Für die Masterarbeit in Integriertes Design (bei Prof. Ursula Zillig, Prof. Kai Lehmann, Prof. Dorothea Mink und Alan Shapiro) liegt ihr Fokus auf der Entwicklung von neuen Oberflächen, organischen Formen und der Manipulation von Materialien. Fredes mit moderner Technik wie 3-D-Scans entstandene Kollektion wird in einem surrealen Modefilm inszeniert, in dem sie Fragmente von gescannter Kleidung mischt und ein Narrativ aus ungewöhnlichen Textilien, organischen Formen und Prints formt. GHOST STORIES ist eine Frage nach der Dekonstruktion von linearer Zeitlichkeit, den Grenzen von realer und digitaler Erfahrung.


Link zur Arbeit: Sarah Frede | Influencers Taubenheim

Aus den Begründungen der Jury zur Vergabe an die Preisträger*innen:
Die immersive und ganzheitliche Herangehensweise an Silhouetten und Oberflächen führte zu einer einzigartigen Stimmung der Arbeit von Sarah Frede, die eine jenseitige Vision des menschlichen Körpers mit innovativem Einsatz von Technologie, Handwerkskunst & Teamarbeit sowie einer umfangreichen Präsentation schuf. Die Jury bewertet eine professionelle, experimentelle, intermediale Methodik bei der Entwicklung von Kleidungsstücken, die in einen Film und Fotografien eingebettet sind und die Stücke der Kollektion transzendieren. Die Herangehensweise an die Materialität wurde über das Textil hinaus erforscht, um eine Vielzahl von Medien zu verwenden, die die textile Erfahrung erweitern.

The immersive and holistic approach to silhouettes and surface resulted in a unique mood of Sarah Frede's work, creating an otherworldly vision of the human body with innovative use of technology, craftsmanship & team working as well as an extensive presentation. The jury evaluates a professional, experimental intermedia, methodology in developing garments encapsulated in a film and photographs which transgressed the pieces of the collection. The approach to materiality was explored beyond the textile to a use of a variety of media extending the textile experience.

3. Platz
Livia Brocke
Sand
(Digitale Medien, Bachelor of Arts)


(Werkbeschreibung) Livia Brocke zeichnet und illustriert, animiert Dinge und Comics. Für ihren Bachelorabschluss in Digitale Medien (bei Prof. Asli Serbest und Prof. Samuel Nyholm) hat sie mit feinkörnigem Material auf einem Leuchttisch gezeichnet und gepinselt, eine Geschichte illustriert und so den Animationsfilm „Sand“ gestaltet. Ein Thema mit Gewicht. Ist das am zweithäufigsten verbrauchte Material der Welt doch in fast allem enthalten, was uns umgibt. Brocke verweist poetisch, humorvoll und kritisch auf den zunehmend illegalen Abbau von Sand. Mit ihm wachsen Städte in rasantem Tempo, aber die natürliche Ressource kann sich nicht in diesem Tempo erneuern. Für die Künstlerin spiegelt sich darin die urbane Konsumkultur.


Link zur Arbeit: Livia Brocke | Influencers Taubenheim

Aus den Begründungen der Jury zur Vergabe an die Preisträger*innen:
Livia Brocke reflektiert in ihrer Arbeit kritisch den begrenzten Vorrat an dem Rohstoff Sand, der aus Küsten, Meer und Gestein gewonnen wird, um ihn der unaufhaltsamen (Stadt-)Konstruktion zuzuführen. Die Jury schätzt diesen Animationsfilm als ein außergewöhnlich präzises und nuanciertes Erzählhandwerk mit einer einzigartigen Idee.

In her work, Livia Brocke critically reflects on the limited supply of this raw material, which is extracted from coasts, sea and rock in order to feed it into the unstoppable (urban) construction. The Jury values this animation movie as an exceptionally precise and nuanced storytelling handcraft with a unique idea.

Besondere Belobigungen werden Mahshid Mahboubifar, Hannah Huber, Shih-hsuan Yen zuteil.

Mahshid Mahboubifar
Amateur PET


(Werkebeschreibung) Mahshid Mahboubifar ist eine multidisziplinäre Künstlerin aus dem Iran. Für ihren Master in Digitale Medien (bei Prof. Ralf Baecker und Bettina Catler-Pelz) schuf sie eine zeitbasierte Installation, die von dem politischen und wirtschaftlichen Begriff des „Ölfluchs" inspiriert ist. Dieser Begriff bezieht sich auf das paradoxe Phänomen, dass viele ölreiche Länder Defizite bei nachhaltigem Wirtschaftswachstum, Gleichberechtigung, Pressefreiheit, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie haben. „In meiner Installation stelle ich den so genannten Ölfluch als ein scheinbar lebendiges, aber undefinierbares und fremdes Wesen dar. Sein Atemrhythmus folgt den OPEC-Ölpreisen von 1980 bis 2020 in einer sechsminütigen Schleife. Der Körper des Wesens besteht aus PET-Folie, die bei seiner Bewegung ständig raschelt und die monströsen Atemgeräusche begleitet“, so die Künstlerin.


Link zur Arbeit: Mahshid Mahboubifar | Influencers Taubenheim

Begründung der Jury: Mit ihrer sehr persönlichen Perspektive erweckt Mahshid Mahboubifar das komplexe Thema der iranischen Ölkrise 2019 buchstäblich zum Leben und nutzt dabei gekonnt verschiedene Medien. Die Rauminstallation und der Film arbeiten auf verschiedenen Ebenen mit einer höchst künstlerischen & fokussierten Ausführung. "Amateur PET" als Kunstwerk stellt eine perfekte objektzentrierte Erzählung dar - die Kreatur aus PET-Folie atmet im Rhythmus der OPEC-Ölpreise von 1980 bis 2020. Dieses unnatürliche, von Menschenhand geschaffene Tier, das auf dem Boden krabbelt und trauert, materialisiert metaphorisch eine komplexe politische, aber auch private, soziale und wirtschaftliche Krise.
With her very personal perspective Mahshid Mahboubifar brings the complex topic of 2019 Iranian oil crisis literally to life skillfully using various media. The room installation and movie work on different layers with a highly artistic & focused execution. “Amateur PET” as an art piece represents a perfect object centered narrative - the creature made of PET foil is breathing in the rhythm of OPEC oil prices from 1980 to 2020. This unnatural, man-made animal crawling on the floor and mourning metaphorically materialises complex political, as well as private, social and economic crisis.

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Hannah Huber
Trial and Error – Die tiefe Schönheit im keramischen Objekt


(Werkebeschreibung) „Ich arbeite mit Ton und Glas, Fragmenten von früheren Bränden und Dingen, die ich in der Natur sammle“, beschreibt Hannah Huber ihren künstlerischen Ansatz. Für die Masterarbeit in Integriertes Design (bei Prof. Detlef Rahe und Prof. Andreas Kramer) hat sie getöpfert – auf der Suche nach einem neuen Verständnis von Schönheit, die nicht auf Perfektion und Großartigkeit beruht. Huber ist fasziniert von der Zen-buddhistischen Philosophie des Wabi-Sabi, in der das Schöne in der Fehlerhaftigkeit, der Asymmetrie, der Nichtperfektion, im Kleinen und Stillen statt Großen und Lauten liegt, im Zersprungenen, Zerrissenen, in allem Vergänglichen und schließlich im Zusammenfügen aller Anteile. In diesem Sinne erschafft sie Keramiken aus Steinzeugbruch, Glas, Steinen, Sand, Schneckenhäusern, Muscheln, Holzasche, Metall, Kintsugi.

Link zur Arbeit: Hannah Huber | Influencers Taubenheim

Begründung der Jury: Auf der Suche nach dem Wert, der in unvollkommenen, vielleicht sogar fehlerhaften, rissigen und zerbrochenen Objekten steckt, erkundet Hannah Huber die Welt des Dilettantismus und sucht nach neuen, unerwarteten Ergebnissen durch diese Praxis. "Trial and Error" als eine Sammlung von Designstücken oder besser künstlerischen Arbeiten präsentiert schöne Texturen, die an Meereslandschaften und Fossilien erinnern, und scheut sich nicht, sich einer gut erforschten Form auf unkonventionelle Weise zu nähern. Es betrachtet eine uralte Form aus einer neuen Perspektive; schätzt Fehler und Unvollkommenheiten.
Looking into the value present in imperfect, perhaps even flawed, cracked and broken objects; Hannah Huber is exploring the world of amateurism and looking for new, unexpected outcomes through that practice.“Trial and Error” as a collection of design pieces or better artistic works presents beautiful textures reminiscent of sea landscapes and fossils, not being afraid of approaching a well-explored form in an unconventional manner. It considers an ancient form from a new perspective; valuing mistakes and imperfections.

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Shih-hsuan Yen
The Good Wife


(Werkebeschreibung)Shih-hsuan Yen ist eine Fotografin aus Taiwan. Ihre Themenschwerpunkte sind Heimat und Erinnerung. Für die Magisterarbeit in Integriertes Design (bei Prof. Andrea Rauschenbusch und Prof. Peter Bialobrzeski) hat sie die Rolle der Landfrauen unter dem Einfluss der Familienkultur in der asiatischen Gesellschaft dokumentiert. Im ländlichen Taiwan scheint es beispielsweise das höchste Kompliment für eine Frau zu sein, eine gute Ehefrau genannt zu werden. Das hängt aber davon ab, wie gut sie ihrem Mann und ihrer Familie dienen kann. Landfrauen übernehmen nicht nur Hausarbeit, sondern auch landwirtschaftliche Arbeiten, um das Familieneinkommen aufzubessern. Warum sind die Frauen bereit, ihren Familien im Stillen Untertanin zu sein?


Link zur Arbeit: Shih-hsuan Yen | Influencers Taubenheim

Begründung der Jury: 
Shih-hsuan Yen lieferte hervorragende Dokumentarfotografie und seriöse Feldforschung. Ihre Fotografien sind voller Geschichten und zeigen auf sehr erzählerische Weise die täglichen Lebensszenen von Frauen im ländlichen Taiwan. Die Jury schätzte die gut gesammelten Geschichten und Interviews, die ein klares Zeichen für das Engagement der Autorin für das gewählte Thema sind.
Shih-hsuan Yen delivered outstanding documentary photography and serious field research. Her Photographs were full of storytelling showing in a very narrative way the daily life scenes of women in rural Taiwan. The Jury valued the well-gathered stories and interviews which were a clear stand of authors engagement and commitment to the chosen subject.

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Die Jury des diesjährigen Frese-Design-Preises setzt sich zusammen aus Lucia Mendelova (Softwareentwicklerin und Konzeptkünstlerin für VR/AR-Anwendungen), Markus Kison (digitale Medienkunst), zahlreiche Ausstellungen und internationale Auszeichnungen. Julia Eberhardt (HfK Alumna des Integrierten Designs 2014, arbeitet seit 2015 im Studio von Vivienne Westwood, Dozentin an der Arts University Bournemouth.), Stefan Jeep (Künstler und Geschäftsführer des Künstlerhaus Güterbahnhof, Preisträger des Bremer Förderpreises für Bildende Kunst, 2004 bis 2006 Stipendium Villa Minimo des Kunstvereins Hannover).

Termine
Frese-Design-Preises 2021

27. Juli 2021