Piktogrammatik – Grafisches Gestalten als Weltwissen und Bilderordnung

Piktogrammatik – Grafisches Gestalten als Weltwissen und Bilderordnung

Zweitägiges Kolloquium richtet sich Studierende, Lehrende und die interessierte Öfffentlichkeit

Am 18./19. Juni 2019 findet an der HfK Bremen ein interdisziplinäres Kolloquium unter dem Titel „Piktogrammatik“ statt, organisiert Prof. Dr. Annette Geiger (Theorie und Geschichte des Designs) und Bianca Holtschke, Lehrbeauftragte und Dipl.-Designerin. In elf Vorträgen werden Prof. Dr. Annette Geiger und Bianca Holtschke sowie externe Expert*innen unter anderem der Frage nachgehen, inwiefern die Idee einer Piktogrammatik als Ordnung und Unordnung unserer grafischen Darstellungsweisen von Wissen und Welt dienen kann.

Unser Wissen bildet sich oft durch grafisches Denken und Modellieren heraus, es wird durch Darstellung anschaulich und vermittelbar. Doch was bildet man dabei eigentlich ab – als Piktogramm oder Diagramm, als Karte oder Informations-Grafik im weitesten Sinne?
Die grafischen Erzeugnisse zeigen als Schnittstelle zwischen Bild und Text, zwischen Wissen und Sehen mehr als nur den jeweiligen Erkenntnisstand. Sie sind grundsätzlich bildlich und können daher unterschiedlich gedeutet werden; sie entstehen durch abstrahierende Verfahren und lassen dabei auch Spielraum für gestalterische Freiheiten. Welcher Ordnung und Sprache, welcher Rhetorik und Konstruktion unterliegen diese visuellen Weisen der  Welterzeugung? Welche Bildprozesse erweisen sich als nützlich und gelungen, welche als misslungen? Wie wird die Ambivalenz von Bildern verhandelt, wie ihre normierende Wirkung?
Seit Platon und Aristoteles diskutiert die Philosophie über die Legitimität der grafischen Darstellung in Wissensprozessen. Doch erst mit dem Zeitalter der Massenmedien begann die Ära der Piktogrammatik: Seit Otto Neuraths Wiener Methode der Bildstatistik ist uns bildpädagogische Information in allen Medien vertraut. Ob Presse oder Internet, ob Flughäfen, Bahnhöfe oder Fahrpläne – ohne die Allgegenwart von Piktogrammen ist unser Alltag nicht mehr denkbar. Neben den Versuchen, Ordnung in unsere Erkenntnisse zu bringen, nehmen aber auch die anarchischen Weisen des Bedeutens zu: Vom Cartoon zum Zeichentrick, vom Graffiti zum Animationsfilm u.a., wurden in der Populärkultur alternative Bildlichkeiten erprobt, die nicht ohne Einfluss auf die Piktogrammatik bleiben. Die Ordnung der Bilder findet sich immer wieder unterlaufen und erweitert. Welche Kompetenzen setzt das Lesen von Bildern heute voraus?
Piktogramme ähneln zwar nicht der Wirklichkeit, aber sie verfahren nicht ohne Analogien. Diagramme, Grafen und Koordinaten bilden nur scheinbar neutral ab, was wir denken. Sie kommen nicht ohne die Materialität der Medien aus, sie sind auf ihre Rhetorik angewiesen. Grafische Gestaltung ist für unser Weltwissen unverzichtbar, Design ist somit eine Bedingung von Wissen. Doch ergeben sich aus dieser Feststellung viele weitere Fragen, die es zu diskutieren gilt.
Die Idee einer Piktogrammatik als Ordnung und Unordnung unserer grafischen Darstellungsweisen von Wissen und Welt soll mit dieser Tagung offen diskutiert werden.

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Programm

18. Juni 2019
14.00 –14.45 Uhr Annette Geiger (Bremen):
Einführung: Das explosive Bild
14.45 –15.30 Uhr Rolf Nohr (Braunschweig):
Bild-Wissen.Von der Naturalisierung der symbolischen Erfahrung
Pause
16.00 –16.45 Uhr Daniela Stöppel (München):
Zum Zusammenhang von Bildstatistik und Kriegswirtschaft. Otto Neuraths „Piktogramme“ im Kontext ökonomischer Theoriebildung
16.45 –17.30 Uhr Hanne Loreck (Hamburg):
Bildhafte Elemente der Wissensproduktion
Pause
17.45 –18.45 Uhr Hannes Kater (Berlin):
Notationszeichnung und Zeichenfolgenabschätzung

19. Juni 2019
10.00 –10.45 Uhr Bianca Holtschke (Hamburg):
Können Bilder falsch sein?
10.45 –11.30 Uhr Joosten Müller (Bremen):
Eine Frage der Darstellung? Virenmodelle auf dem Prüfstand
Pause
12.00 –12.45 Uhr Lukas R. A. Wilde (Tübingen):
Comic-Piktogramme & Piktogramm-Comics
12.45 –13.30 Uhr Carolin Scheler (Hildesheim):
He’s so fluffy I’m gonna die! – Der bildsprachliche Kosmos im computeranimierten Kinofilm
Pause
15.00 –15.45 Uhr Pierre Smolarski (Wuppertal):
Piktorhetorik
15.45 –16.45 Uhr Patrizia Bach (Berlin):
Passagen-Arbeit – ein Vortrag zur künstlerischen Recherche und Zeichenarbeit zu Walter Benjamins Passagen-Werk

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Termine
Piktogrammatik – Grafisches Gestalten als Weltwissen und Bilderordnung

Speicher XI, 4.15.070

18. Juni 2019