Lucas Odahara gewinnt Berlin Art Prize 2022
Die Schuhe des Meisters
Lucas Odahara (*1989, São Paulo, Brasilien), HfK-Alumnus der Freien Kunst, hat den Berlin Art Prize 2022 gewonnen.
Eine fünfköpfige Jury wählte acht Nominierte aus und lud sie zu einer Einzelausstellung. Drei von ihnen erhalten den Berlin Art Prize, der die Einladung zu einer „Residency“, ein Preisgeld und eine exklusiv gestaltete Trophäe beinhaltet.
Odaharas ausgezeichnete Ausstellung „The Master's Shoes“ (Die Schuhe des Meisters) ist noch bis 14. Oktober 2022 in „Die Möglichkeit einer Insel“, Inselstraße 7, 10117 Berlin, zu sehen.

„Durch Prozesse alternativer Erinnerung“, teilen die Veranstalter mit, widme sich der Künstler „historischen Ereignissen und verknüpft diese mit Erzählformen eines individuellen und kollektiven Gedächtnisses, mit Gender und mit kolonialen Beziehungen.“ In der Ausstellung zeigt Odahara eine Auswahl neuer Arbeiten. Das zentrale Video geht von einem Gedicht aus, das er zusammen mit der Schriftstellerin Indrakanthi Perera ausschließlich mit singhalesischen Wörtern verfasst hat. Sie haben ihren Ursprung im Portugiesischen, der Muttersprache des Künstlers. Vokabeln wie „Diamant“, „Kompass“, „Malerei“, „Himmel“, „Pistole“ und „Herr“ erweisen sich für ihn als sprachliches Abbild einer gemeinsamen Geschichte der Kolonisierung von Brasilien und Sri Lanka. „Das Videobild ist zur Hälfte mit Wasser gefüllt, auf dessen Oberfläche die Begriffe treiben. Sie werden zu einem verbindenden und separierenden Element und zum Symbol brutaler Konsequenzen von Geschichte.“ Da gerade Worte wie Kompass, Pistole oder Meister „schwimmend an die Gewalt erinnern, die sich verbal vermitteln kann, ohne sichtbare Wunden“, wie der Tagesspiegel schreibt.
Für „A Desatadora“ (Das Untier) unternahm Odahara zunächst eine kunstgeschichtliche Recherche in europäischen Museumssammlungen nach dem Motiv des Knotens auf historischen Malereien. Er verwebt Reproduktionen der von ihm aufgefundenen Bilder miteinander, bis sie einen fortlaufend in sich selbst verstrickten Körper darstellen. Das westliche, ikonografische Motiv des Knotens taucht auch in Südamerika auf, wo die „Maria Knotenlöserin“ für die Lösung kleiner Alltagsprobleme verehrt wird. Die Metapher der Problemlösung und die göttliche, weibliche Geste der katholischen Jungfrau bezeichnen auch Odaharas Bestreben, historische Momente künstlerisch aufzudröseln.
Durch die Verbindung verschiedener historischer Referenzen demonstriert der Künstler, dass Herrschaft und Autorität – die Schuhe des Herren – in der Geschichte von Macht oft weitergegeben wurden. „Die Schuhe des Herrn bleiben nie leer“, so Odahara.
Jurybegründung: „Beim Betreten der Ausstellung von Lucas Odahara stellt sich ein Gefühl der Bodenständigkeit ein, seine Installation strahlt Ruhe aus und lädt zu tiefer Reflexion ein. Die subtilen narrativen Verbindungen, die der Künstler zwischen den drei Räumen herstellt, bestätigen seine Sensibilität für Sprache und wie diese als Werkzeug des Kolonialismus instrumentalisiert werden kann. Die Verwendung von Wasser als wiederkehrendes Element in der gesamten Ausstellung, sowohl physisch als auch symbolisch, schafft eine enge Beziehung zwischen den präsentierten Arbeiten: Dies ist ein Künstler, der jede kreative Entscheidung bewusst trifft. Aufgrund seines poetischen Sinns für den Raum und seiner nuancierten Auseinandersetzung mit der Vergangenheit geht der Berlin Art Prize 2022 an Lucas Odahara.“
