Hochschulorchesterkonzert "Neue Wege"
Perkussives Klangfeuerwerk
Yi Shi legt ihr Konzertexamen Schlagzeug ab
Nach fulminanten Gongschlägen und einem rasanten Xylophon-Part startet unter Leitung von Prof. Stefan Veselka der Schlagwerk-Dialog mit einem vielschichtig spannungsvollen Orchestersatz.
Zur Eröffnung ihres Konzerts „Neue Wege“ in der Glocke hat sich das Hochschulorchester mit „Veni, Veni, Emmanuel“ des schottischen Komponisten James MacMillan, Jahrgang 1959, ein Werk ausgesucht, das in tonaler Tradition moderne Kompositionstechniken für klangeffektive Expressivität, verzückt postminimalistische Rhythmik und Momente meditativer Spiritualität nutzt. Eindrucksvoll die Zwiesprache zwischen Blechbläsern und Streichern und ihre Klangauffächerungen. Zuweilen gibt es Folklore-Anklänge mit tänzerischen Elementen zu erleben.
Zum Akzentuieren, Befeuern und Ausmalen der musikalischen Entwicklungen hat MacMillan einen Schlagzeugpart, ja, ein heißen Wettstreit zwischen Orchester und der Perkussionsbatterie geschrieben, der die klangfarbigen Möglichkeiten des Instrumentariums auskostet, so dass Solistin Yi Shi alle Register ihres Könnens ziehen kann, um das HfK-Konzertexamen Schlagzeug in der Klasse von Prof. Olaf Tzschoppe abzulegen. Sie muss nicht nur 13 unterschiedliche Trommeln, verschiedene Metall- und Holzinstrumente, aber auch Röhrenglocken, spanische Kuhglocken und natürlich Vibra- und Marimbaphon beherrschen, sondern zwischen all dem hin und her joggen und sich ständig auf ein neues Instrument sowie andere Schlegel einstellen.
Die "mehrfach ausgezeichnete, selbstsicher auftretende Solistin Yi Shi" mache "das bravourös. Mal mit melodiös vierstimmigem Spiel auf Marimba oder Vibrafon, mal mit energisch ausgeführten Trommel- und Paukenwirbeln oder kaum noch hörbaren Sphärengeräuschen, die in stringenter Steigerung zu Ungewittern anschwellen", heißt es in der Rezension des Weser-Kuriers. Die chinesische Musikerin besticht in ihrem Spiel mit energetischer Präzision und reichen dynamischen Abstufungen. Das Orchester muss sich anstrengen, um gegen die emsig exakte Yi Shi mit den dominanten Schlaginstrumenten zu bestehen.
„Der 25-minütigen, einsätzigen Komposition, die 1992 in der Royal Albert Hall in London von Evelyn Glennie und dem Scottish Chamber Orchestra unter Jukka-Pekka Sarasate uraufgeführt wurde, liegt ein berühmter Adventschoral zugrunde, dessen Herkunft nicht ganz klar ist. Die Angaben schwanken vom 8. bis zum 15. Jahrhundert, was MacMillan selbst angibt. Der Text umreißt die liturgische Zeit des Advents, die Zeit der Erwartung des Kommens des Herrn, des Befreiers, was erst durch Weihnachten und dann durch Ostern vollendet wird. Es ist also eine sehr freudige Zeit, eine Zeit freudiger Erwartung“, schreibt Musikwissenschaftlerin Ute Schalz-Laurenze in ihrem Programm-Flyer-Artikel zum katholischen Gehalt des Konzerts, das von der Menschwerdung und Gegenwart zur Auferstehung Christie strebt.
Die „Veni, Veni, Emmanuel“-Melodie wurde übrigens bereits von Metal- und Punk-Bands wie Theocracy, August Burns Red und Bad Religion genutzt, U2 baute sie in den Song „White as Snow“ ein. Bei Macmillan zitieren vor allem die Streicher immer wieder Bruchstücke des Chorals. „Recht unvermittelt erscheint dann in dem riesigen Crescendo das Oster-Gloria in den Glocken, immer wiederholt, immer lauter, immer endgültiger“, so Schalz-Laurenze. Beeindruckend wie das irisierende Glöckchenklingen der Orchestermusiker die Komposition zur Ruhe kommen lässt. Eindringlich wie Yi Shi dann an den Röhrenglocken mit dem Ostergeläut das Werk finalisiert, der letzte Glockenton verhallt in sanftem Pianissimo und weist in die jenseitige Welt. Die 300 Besucher:innen spenden Standing Ovations.
Als Kontrastprogramm wird anschließend die Sinfonie Nr. 1 c-Moll op. 681 von die Johannes Brahms gegeben. Schalz-Laurenze: „Noch immer schwanken die Interpretation und die Rezeption der Musik von Brahms zwischen dem gefühlsseligen Romantiker auf der einen und auf der anderen Seite dem formalen Strukturalisten. So unvereinbar das scheint, genau das macht die Musik von Brahms aus.“ Das Hochschulorchester neigt einer romantischen Interpretation zu.
"Die engagiert aufspielenden jungen Interpreten können indes ihre musikantische Vehemenz umso mehr in den dicht angelegten, ungemein klangüppigen Ecksätzen mit überwältigender Dynamik zum Ausdruck bringen", so Gerd Klingeberg im Weser-Kurier.




Fotos: Lukas Klose