"Liberia": Neues Buch des HfK-Gastprofessors Andreas Herzau
Sensationen des Postitiven
„Am Anfang stand da die Frage, ob die Tatsache, dass meine fotografische Handschrift oft als sehr eigen und erkennbar beschrieben wird, gut ist, oder ein Zeichen dafür, dass mir nichts Neues mehr einfällt. Letztlich war das ja auch meine Motivation für das Liberia-Projekt, wo ich erstmals der Farbfotografie einen sehr viel größeren Raum gegeben, das Bildformat geändert und während der Entwicklung des Buches nach neueren Ansätzen gesucht habe, ohne mein vorheriges Schaffen zu verleugnen.“ So erklärt Bildjournalist und Fotokünstler Andreas Herzau, derzeit HfK-Gastprofessor für „Fotografie - narrativ und experimentell“, in einem Interview des Blogs Fotogloria die Ausgangsidee seines gerade erschienen Buches „Liberia“. Es handele sich um die Auseinandersetzung „mit meinem eigenen nordeuropäischen, westlichen Blick auf Afrika und der Versuch eines Paradigmenwechsels“.

Liberia ist eines der ärmsten Länder der Welt, etwa 80 Prozent der vier Millionen Einwohner haben keine regelmäßige Arbeit, und stand auf der Horrorliste des Zeitgeschehens weit oben – als Synonym für den Vorhof zur Hölle. Berichte über Gräueltaten der War Lords und ihrer Milizen gingen um die Welt. Von 1989 bis 2003 starben etwa eine Viertel Million Menschen in zwei Bürgerkriegen, eine ganze Generation ist im Krieg groß geworden. Andreas Herzau hat das Geschehen und die Flüchtlingsbewegungen damals vor Ort als Reporter erlebt und dokumentiert – heute sagt er: „Unter dem Impetus und gleichzeitigen Deckmantel der humanitären Aufklärung reisen wir Fotograf*innen in diese Länder und berichten über Gegebenheiten, die eigentlich grundsätzlich bekannt sind."
Als in den Jahren 2005/06 ein erstaunlicher Aufarbeitungs- und Demokratisierungsprozess Liberia einsetzte, wunderte sich der Fotograf, dass diese Entwicklungen in der westlichen Welt auf weit weniger Interesse stießen als die Sensationen des Negativen, die er und seine Kollegen einst für die globalen Medien festzuhalten hatten. Das europäische Bild von Afrika sei sehr durch den Fokus auf Kriege und Krisen geprägt, so Herzau. Wenn sich die Situation in einem der Länder zum Guten wenden würden, berichte niemand mehr darüber. Das aber wollte Herzau, fuhr in der Friedenszeit 2019 nochmal dorthin und startete den Versuch, in ein Land fernab des westlichen Wohlstandes als Fotograf kein Vampir des Elends zu sein, der Armut ästhetisiert, sondern Menschen porträtiert, die sich von ihrem Alltag nicht erniedrigt fühlen, sondern beispielsweise mit Optimismus reagieren. Wobei die Frage auftaucht, ob nicht Bebilderungen der Arm-aber-lebensfreudig-These in Bezug auf Afrikaner nicht erneut ein Klischee ist.

Es geht in „Liberia“ nicht um die US-fixierte Elite, die das Land seit der Gründung als Siedlerstaat für aus den USA nach Afrika zurückgeschickte Sklaven im 19. Jahrhundert dominiert, sondern die einheimische Mehrheit und die Fortschritte der politischen und ökonomischen Entwicklung – sowie um die Suche nach einer Bildersprache für Herzaus Interesse am Positiven.
Inspiration dafür war der Text „How to write about Africa?“ des kenianischen Autors Binyavanga Wainaina, der dem Band in Deutsch und Englisch vorangestellt ist. In einer Rezension von Gerhard Clausing im Photobook Journal heißt es, der Essay „legt einen erstaunlichen Katalog all der Klischees über Afrika offen, die durch Herzaus hier präsentierte Arbeit demontiert werden.“ Entstanden sei ein Buch mit farbenfrohen Bildern, die die Liberianer in ihrem Alltag, auf der Arbeit, beim Feiern und bei Freizeitvergnügen zeige, auch lokale Bräuche und Kleidungsstile abbilde und dabei andeute, „dass das Leben mit viel Freude abläuft“. Man dürfe geradezu dabei sein, verstehe Herzau es doch „besonders gut, uns ungewöhnliche Blickwinkel zu vermitteln, die beim Betrachter ein Gefühl der Teilnahme erzeugen.“
Und hier der Videotrailer zum Buch.
Andreas Herzau: Liberia
146 Seiten Fotografien in Schwarz-Weiß und Farbe
Flexibles Leinen, Fadenheftung
ISBN 978-3-03850-079-7
Preis: 32 Euro
Fotos: Doppelseiten aus "Liberia" Copyright: Andreas Herzau