Destroy Media-Tagung
Destroy Media! Humor als Strategie in den Künsten.
Vom Aufstand der Bilder gegen ihre Technologie
Tagung & Ausstellung / 30. & 31.05.2022
Destroy Media! Humour as a Strategy in the Arts.
The Rebellion of Images against Technology
30./31.05.2022
Internationale Konferenz
Auditorium, Speicher XI 8, 28217 Bremen &
Schiff Dauerwelle, Anleger bei der Weserburg, 28199 Bremen
Die Medien tatsächlich zerstören? Darum geht es sicherlich nicht. Denn ohne technische Hilfs-mittel, vom Zeichenstift zur VR-Cave, könnten keine Bilder entstehen. Heutige Medien tendie-ren aber dazu, die Vielfalt der Darstellungsmöglichkeiten zu unterbinden, sie vereinheitlichen Stile und Motive. Effekte von Illusion und Immersion können durch die computer generated imagery (CGI) immer perfekter gestaltet werden. Doch möchten wir uns in solche Scheinwelten überhaupt zurückziehen?
In Kunst und Gestaltung findet man heute gegenläufige Tendenzen: Insbesondere im Bereich der erzählenden Bilder – von der Zeichnung zum Zeichentrick, von Illustration und Animation zu Comic und Cartoon, von der erweiterten zur virtuellen Medialität (AR/VR) – zeigt sich in den Künsten ein bewusstes Festhalten an der graphisch-zeichnerischen Bildsprache, am sichtbar Handgemachten, gar Dilettantischen – von der Kritzelei mit Kugelschreiber bis zur gebastelten Figur im Stop-Motion-Film etc.
Vor allem Strategien des Humors widersetzen sich dem illusionistischen Zugzwang der Medien: Ironie (eirōneia) bedeutet sinngemäß, dass man Unwissen vortäuscht, ein ironisches Bild kann aussehen, als hätte man es nicht besser gekonnt. Es erscheint freiwillig als naiv, darin liegt der Witz. Illustrieren bedeutet „Erhellen, Erleuchten“, aber nicht unbedingt als Wahrheitssuche, sondern auch als Übertreibung und Verzerrung. Es gilt, die Medien einmal „gegen ihren Strich“ zu bürsten – durch groteske Einfälle, die auf jeglichen Realismus verzichten.
Das Programm der Konferenz präsentiert dazu Vorträge, Artist Talks, Performances, Ausstel-lung und Zine Release aus verschiedensten wissenschaftlichen und künstlerischen Disziplinen.
Der Eintritt ist frei.
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Programm:
Montag, 30.05.2022
Auditorium
13.30 Uhr Begrüßung
Annette Geiger & CCLC, Bremen
14.00–14.45 Uhr Humor in der Augmented Reality
Alexander Press, Bremen
14.45–15.30 Uhr The Shape of Trolls (EN)
Andreas Berg, Oslo
16.00–16.45 Uhr Spiele(n) jenseits des Fotorealismus: Zur postdigitalen Ästhetik rezenter Indie Games
Jan-Noël Thon, Osnabrück
16.45–17.30 Uhr Analoge Utopien, eine radikale Kritik des Digitalen
Christian Faubel, Köln
Dauerwelle
19.30 Uhr Ausstellungseröffnung mit Gif’n Take-Screening & Sticky Sheets Magazine Release
präsentiert von: Illustriminati AG, Studierenden des Integrierten Designs und der Freien Kunst (bei Prof. Kati Barath, Prof. Samuel Nyholm)
20.30 Uhr Songs from My Analogue Utopia
Performance vonChristian Faubel, Köln
Bar&Musik
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Dienstag, 31.05.2022
Auditorium
10:00–10.45 Uhr Heung through Han: The Aesthetics of Korean Laughter (EN)
Shoey Nam, Bremen
10.45–11.30 Uhr Sonderbar humorvoll. Die filmische Trickkiste Tim Burtons
Carolin Scheler, Hildesheim/Hannover
12.00–12.45 Uhr Creating and Communicating Irony through Internet Memes (EN)
Idil Galip, Edinburgh
12.45–13.30 Uhr #IchBinHanna vs. WissZeitVG
Maike Reinerth, Potsdam/Köln
15.00–16.00 Uhr Light from a Crack in the Bathroom Door (EN)
Lecture & Artist Talk with Mike Bouchet, Offenbach & Olav Westphalen, Bremen
Dauerwelle
17.00 Uhr Today is a fantastic day. I’m in a great mood. Zine-Release Cartooning as Attitude
sowie verschiedene Ereignisse und interessantes Verhalten aus dem SoVC-Masterstudio (bei Prof. Olav Westphalen)
Bar&Musik
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Abstracts & Authors:
Andreas Berg: The Shape of Trolls (EN)
The book “Svensk illustration - en visuell historia” is thematically structured around companies and phenomena that have gathered illustrators. Andreas Berg wrote about Einar Nerman, who made trendy illustrations based on modern dance and silhouettes in the 1910s, about the newspaper cartoonists who in the 1930s with the help of the fountain pen established the sketch as a form of illustration, about surrealists in the post-war period and about the aesthet-ics of the 68s generation. In Bremen, Andreas Berg presents the material for a chapter that was not included in the book, the story of how Norwegian and Swedish illustrators from 1850s and onwards created the image of trolls.
Andreas Berg is a Swedish illustrator, educator and author. In 1997 he was named Sweden’s first professor of illustration and in 2013 Norway’s ditto. In the same year, he was one of two editors / lead authors of the first published overview of Swedish illustration history.
Mike Bouchet & Olav Westphalen: Light from a Crack in the Bathroom Door (EN)
Lecture & Artist Talk
Mike Bouchet, stammt aus Kalifornien, er ist seit 2019 Professor für Bildhauerei an der Hoch-schule für Gestaltung in Offenbach.
Olav Westphalen ist Künstler und Cartoonist, er ist Professor für Zeichnen an der Hochschule für Künste Bremen.
Christian Faubel: Analoge Utopien, eine radikale Kritik des Digitalen
In meinem Vortrag untersuche ich kritisch Differenzen zwischen dem Digitalen und dem Analo-gen, die besonders beim Phänomen von Synchronisation sichtbar werden. Im Vortrag experi-mentiere ich mit verschiedenen analogen Systemen und demonstriere an diesen ihr utopisches Potential, das ich besonders in der hierarchiefreien Kommunikation zwischen diesen Systemen verorte und zeige, wie aus hierarchiefreier Wechselwirkung Polyrhythmen entstehen.
Christian Faubel, Wissenschaftler & Künstler ist Professor für Smart Connected Products und lehrt im Studiengang Code & Context der TH-Köln.
Idil Galip: Creating and Communicating Irony through Internet Memes (EN)
Internet memes have become the primary medium in constructing subcultural narratives online. They are cheap and easy to make and distribute, while also being infinitely variable and replicable. This affords them with an amorphous form that is challenging to grasp and define, so as a result most analyses of internet memes focus on their content and what this content communicates. This talk will therefore attempt to reconcile this tension by focusing on a com-mon theme that appears in both the form and content of internet memes: irony.
Idil Galip is a writer, researcher, and maker from Turkey. She is a PhD candidate at the Univer-sity of Edinburgh where she is mapping the creative and digital labour that goes into the crea-tion, dissemination, and monetisation of internet memes. She also runs the Meme Studies Re-search Network.
Shoey Nam: Heung through Han: The Aesthetics of Korean Laughter (EN)
Han, a sense of resentment and sorrow caused by a loss or oppression, cannot be undone. Yet, through han-puli, a ‘carnivalesque’ ritual of rapturous catharsis, it can be ‘untied’. Thus, the Korean attitude toward suffering can be full of heung: a sense of pure merriment and mirth. The conflicting combination of these two raw emotions are manifested in all kinds of visual storytelling in Korea, evoking ambivalent laughter.
Shoey Nam is a PhD candidate at HfK Bremen. Her research explores the depth of the ambiva-lent nature of laughter. She completed her MA in integrated design at HfK Bremen on the topic of levity/triviality, which served as the basis of her current research.
Alexander Press: Humor in der Augmented Reality
Am konkreten Beispiel von Sarah Rothenbergs Augmented Reality-Installation „Sehnsucht“ auf der AR-Biennale im NRW-Forum Düsseldorf (2021) beschäftigt sich mein Beitrag mit der Frage nach Humor als Strategie in der zeitgenössischen Kunst. Unter welchen Bedingungen kann mit Humor eine distanzierte und kritisch-reflexive künstlerische Haltung entstehen, die das Kon-fliktpotential gesellschaftlicher Zusammenhänge sichtbar macht? Dies wird anhand einer kur-zen Ideengeschichte der Augmented Reality illustriert.
Alexander Press ist Kunstwissenschaftler, er promovierte über kunst- und bildwissenschaftliche Aspekte der Comicforschung an der Uni Bremen, dort ist er Lektor am Institut für Kunstwissen-schaft, Filmwissenschaft und Kunstpädagogik.
Maike Reinerth: #IchBinHanna vs. WissZeitVG
Vor knapp einem Jahr erlebte ein 2018 vom BMBF unter dem spröden Titel «Wozu dient das Wissenschaftszeitvertragsgesetz» veröffentlichter animierter Erklärfilm ein unverhofftes Comeback: Infolge einer konzertierten Social-Media-Action wurde dessen Protagonistin, die fiktive Biologin ‹Hanna›, nicht nur über Nacht berühmt, sondern auch Namensgeberin des Hashtags #IchBinHanna, unter dem seither über die Arbeitsbedingungen von Wissenschaft-ler*innen in Deutschland diskutiert und gestritten wird. Neben aller gebotener Ernsthaftigkeit entwickelten sich dabei auch rasch humoristische Strategien, die das BMBF-Video – oft selbst in Form animierter Kurzfilme – persiflieren, kommentieren, bearbeiten und neu kontextualisie-ren. Der Beitrag skizziert politische und widerständige Potenziale von Animation und Praktiken ihrer Aneignung im Social Web.
Maike Sarah Reinerth ist Medienwissenschaftlerin und z.Zt. Vertretungsprofessorin für Kulturen und Theorien des Populären an der Universität zu Köln.
Carolin Scheler: Sonderbar humorvoll. Die filmische Trickkiste Tim Burtons
In seinen Filmen lotet der Regisseur und Produzent Tim Burton, stets mit einem Hang zum Morbiden, auf düster-humorvolle Weise das Leben von Außenseitern aus. Er bedient sich dabei von Produktion zu Produktion der gesamten Palette filmischer Möglichkeiten. Sei es der hand-gemachte Look des Stop-Motion-Films oder auch der computergenerierte Hochglanzeffekt: Sei-ne Handschrift ist in allen diesen Darstellungsformen wiederzuerkennen. Das anarchische Mo-ment liegt bei Burton schon darin, dass er alle möglichen filmischen Verfahren als gleichwertig betrachtet und auch vor neueren technischen Mitteln wie CGI nicht zurückscheut, sondern sie sich für seine Zwecke zu eigen macht. Ausgehend von der praktischen Umsetzung der Filme erkundet der Vortrag, inwiefern die bei Burton zum Einsatz kommenden Techniken für das tra-gikomische Dasein der Figuren und Welten mitverantwortlich sind.
Carolin Scheler studierte Computeranimation in Hannover sowie Columbus, Ohio, und promo-vierte an der Universität Hildesheim „Zum Sinnzusammenhang synthetischer Bilder“, sie ist Lehrbeauftragte im Fachbereich Design und Medien an der Hochschule Hannover.
Jan-Noël Thon: Spiele(n) jenseits des Fotorealismus: Zur postdigitalen Ästhetik rezenter Indie Games
Der Vortrag geht der Frage nach, inwiefern sich mit Blick auf rezente Indie Games von einer dezidiert postdigitalen Ästhetik sprechen lässt. Der Begriff der postdigitalen Ästhetik bezieht sich dabei auf mediale Konstellationen, innerhalb derer Elemente digitaler und nicht-digitaler Ästhetik in einer die Grenze zwischen beiden verwischenden Weise verbunden werden. Wäh-rend derartige Remediatisierungs- oder Transmaterialisierungsprozesse in der gegenwärtigen Medienkultur durchaus häufig zu beobachten sind, fokussiert der Vortrag konkret auf solche Indie Games, die die Ästhetik nicht-digitaler Medienformen nicht nur auf die ein oder andere Weise übernehmen, sondern diese Übernahme zugleich metareferentiell in den Vordergrund rücken.
Jan-Noël Thon ist Professor für Medienwissenschaft und Mediendidaktik an der Universität Os-nabrück.

Grafik: Te I Um