Review
Dienstag | 1. November 2022

Antrittskonzert von Mechthild Karkow

Barocke Rhetorik trifft Wiener Klassik
© Hochschule für Künste Bremen – Lukas Klose

Gefeiertes Antrittskonzert von Mechthild Karkow

Rund 200 Besucher:innen, darunter viele ältere Bremer Freunde der Barockmusik, reichlich junge Fans und Studierende sowie Lehrende der HfK, füllten am letzten Sonntag des Oktobers 2022 die Sitzreihen im Sendesaal, um Mechthild Karkows Antrittskonzert als HfK-Professorin für Barockvioline zu erleben. Allein mit sich, der Geige, etwas Licht und der geradezu empathischen Akustik des Raumes spielte sie Johann Sebastian Bachs Partita für Solovioline in d-Moll mit ihrer kunstvollen Ciaccona. Dabei feierte die Musikerin das, was Ludwig van Beethoven über den Komponisten notiert hatte: „Nicht Bach! Meer sollte er heissen: wegen seines unendlichen, unerschoepflichen Reichtums an Tonkombinationen und Harmonien.“ Dass Beethovens kompositorische Erfindungskraft all dem in nichts nachsteht, war anschließend mit seiner Sonate für Pianoforte und Violine Nr. 10 in G-Dur, Op. 96 zu hören, „ein Werk von herausragend gesanglicher Poesie“ wie Karkow sagt. Bei der Interpretation übernahm der sensibel genaue Tobias Koch die Klavierpassagen am Hammerflügel. Anschließend tauschte sich das begeisterte Publikum bei einem Sektempfang über das Konzert aus.

© Hochschule für Künste Bremen – Lukas Klose

Die Auseinandersetzung mit historischen Quellen, die Verwendung dem Repertoire entsprechender Instrumente, Bögen, Spieltechnik und verschiedener Spielhaltungen sind für Karkow „selbstverständlich und eine Bereicherung stilistisch differenzierter und lebendiger Interpretation". Deswegen spielte sie Bachs Solowerk auf einer Barockvioline, zugeordnet Jakob Stainer (1619 – 1683), und Beethoven auf einer klassisch eingerichteten Violine desselben Erbauers. So ermöglicht die Künstlerin einen authentischen Klangvergleich der Musikepochen. Mechthild Karkow geht es dabei vor allem um diesen magischen Moment, wenn das historische Instrumentarium, die Sprache der Komponisten und das Klangideal der jeweiligen Zeit ineinandergreifen, um zeitlose Affekte und Gefühle als Essenz der Alten Musik für heute erlebbar zu machen. Ein Funke von etwas nicht Fassbarem ist stets dabei. Das kann man nicht hinschreiben, das ist nur live zu erleben.

© Hochschule für Künste Bremen – Lukas Klose

Warum Mechthild Karkow glücklich ist, zum Wintersemester 2020/21 als Professorin für Barockvioline und Barockviola an die HfK Bremen berufen worden zu sein? „Die Nachfolge von Prof. Thomas Albert anzutreten, ist natürlich eine Ehre für mich. Denn die Pflege der Alten Musik hat in Bremen eine lange Tradition und die Ausbildung an der HfK ist international hoch angesehen. Zudem gibt es viele inspirierende Kolleg:innen – für meine Leidenschaft zu unterrichten, sind das ideale Voraussetzungen. Zudem haben mich die Gestaltungsmöglichkeiten an der HfK gereizt, was auch dazu führte, dass ich bereits nach einem Jahr Konrektorin für Studium und Lehre geworden bin.“

Was Mechthild Karkow an ihrer Hochschularbeit interessiert? „Die Auseinandersetzung mit der Musik des 17. und 18. Jahrhunderts lebendig weiterführen, aber auch weiterblicken ins 19. Jahrhundert bis in die Romantik hinein und inhaltliche Verbindungen zwischen Themenbereichen und Fächern herstellen, das möchte ich an der HfK. Mir ist auch die Vernetzung von Historischer Aufführungspraxis mit der musikwissenschaftlichen Forschung und der Musiktheorie sehr wichtig, um beispielsweise den nicht notierten Bereich der barocken Musik weiter zu entfalten, die Kunst der Improvisation und der Ornamentik.“

Was Mechthild Karkow grundsätzlich an der HfK Bremen schätzt? „Die Hochschule hat eine ideale Größe, um schnell Kontakte knüpfen zu können. Es herrscht eine familiäre Atmosphäre, die einen offenen und bereichernden Austausch innerhalb des Fachbereichs Musik und mit dem Fachbereich Kunst und Design ermöglicht, wobei wunderbare Projekte entstehen. Zudem herrscht bei uns in der Alten Musik eine kreative Aufbruchstimmung, es gibt eine große Neugier auf noch wenig erforschte Themen und neu zu entdeckende Aufführungsformate.“