Donnerstag | 6. Juni 2019

In vier Vernissagen die Vielfalt der Freien Kunst abbilden

Diplomand*innen der HfK Bremen stellen in der Dechanatstraße und im Güterbahnhof aus
„Yuliyas Gesang und Gesang für drei Stimmen“, Video still © Suin Kwon

Die Hochschule für Künste Bremen ermöglicht ihren Absolvent*innen am Ende des Studiums, ihre Arbeiten der kunstinteressierten Öffentlichkeit zu präsentieren. Einerseits ist es der Start in einen neuen Lebensabschnitt, andererseits der Abschied vom geschützten Raum der HfK Bremen. Ein bewegender Moment zwischen Stolz und Wehmut, wenn es gilt, den Kommiliton*innen und Dozent*innen, den Freund*innen und Förder*innen die eigene Sichtweise und Handschrift zu präsentieren und dafür einen neuen Platz in der Kunstszene zu finden.

Die Diplomand*innen des Studienganges Freie Kunst der HfK Bremen präsentieren im Juni und Juli ihre Abschlussarbeiten in der Galerie Dechanatstraße und im Künstlerhaus Güterbahnhof. An vier unterschiedlichen Terminen zeigen 13 Studierende ihre Werke, in denen sie sich interdisziplinär und konzeptuell mit verschiedenen Bereichen auseinandersetzen. Von der Malerei über raumbezogene Installationen und Bildhauerei bis hin zu Videoarbeiten repräsentieren die Studierenden die Vielfalt an künstlerischen Positionen, für die die HfK Bremen bekannt ist. 
Von den insgesamt zwölf Arbeiten der 13 Diplomand*innen werden hier einige stellvertretend vorgestellt:

Eröffnung: 13. Juni 2019, 19 Uhr
Galerie Dechanatstraße 13–15, 28195 Bremen
14./15. Juni 2019, 11 bis 19 Uhr und 16. Juni, 11 bis 17 Uhr
Jessica Ammann, Alina Janzen, Suin Kwon

Jessica Ammann beschäftigt sich in ihrer Arbeit mit dem künstlerischen Abtragen von (Wand-)Schichten, um einen Gebäudegrundriss freizulegen. Ihr mit „Ingenuarum Artium Studiis Sacrum“ betiteltes Werk lässt den Bauplan des 1872–1875 errichteten HfK-Gebäudes in der Dechanatstraße entstehen. Im – 1875 noch nicht existierenden – Eingang der Galerie wird der ursprüngliche Grundriss an der Wand herausgearbeitet; Gebäudeteile, die heute fehlen, werden anschließend wieder verspachtelt.

Suin Kwon zeigt eine Mixed-Media-Installation. Ihre Videoarbeiten mit den Titeln „Yuliyas Gesang” und „Gesang für drei Stimmen” basieren auf Geschichten über die Kindheit ihrer Mutter in ihrer südkoreanischen Heimat um etwa 1948. Kwon: „Wenn eine Geschichte ein Tabu ist und von der eigenen Mutter erzählt wird – was hört man dann? Die zweite Projektion dient als Stütze für die erste. Die komplexe Geschichte fließt in all ihren Elementen, die leuchtend, reflektiv und verflüssigt sind.“

Eröffnung: 27. Juni 2019, 19 Uhr
Galerie Dechanatstraße 13–15, 28195 Bremen
28./29. Juni 2019, 11 bis 19 Uhr und 30. Juni, 11 bis 17 Uhr
Armando Ducellari, Ivo Kiefer

Armando Ducellari widmet sich mit seiner Video-Installation inhaltlich der „Vermessung durch Gehen und Zählen“. In seinem Werk vermengen sich Gedanken über das (künstlerische) Arbeiten mit dem Thema des Über- und Unterbewertens.

In den Gemälden und einer raumbezogenen Installation von Ivo Kiefer verbinden sich Ruhe und Harmonie mit Chaos und Irritation. Der Betrachter soll aus seiner Welt und seiner Ordnung „verrückt“, die Grenzen des Alltags und unserer Umgebung sollen verwischt werden. „Der Moment, in dem aus Malerei Skulptur wird, Leinwände in den Raum ragen, ihre Keilrahmen verlassen: Das birgt die Spannung, die ich in meinen Arbeiten untersuche. Die Malerei ist abstrakt, suggeriert Räumlichkeit und zerstört sie, ist flächenhaft, skizzenhaft, überlagert, überladen, übergreifend – auf die Wand, die Konstruktion“, so der Absolvent.

Eröffnung: 4. Juli 2019, 19 Uhr
Galerie Dechanatstraße 13–15, 28195 Bremen
5./6. Juli 2019, 11 bis 19 Uhr und 7. Juli, 11 bis 17 Uhr
Jens Genehr, Ariane Litmeyer & Anna-Lena Völker, Figen Siafi

Das Duo Ariane Litmeyer & Anna-Lena Völker wird sich bei seiner Rauminstallation, bestehend aus verschiedenen Medien und Objekten, am Thema „fingierte Analogien und Fragmente des Besonderen“ abarbeiten. „Sei es die vorgeschriebene Haltung gegenüber einer Staatsmacht, die live übertragenen Klimaverhältnisse eines fernen Ortes oder die Pflege einer Papageienpflanze an einem arktischen Ferienort – durch diese Anordnungen wird eine Relation rekonstruiert, die einen seltsamen Raum für anfänglich fragiler, jedoch dann potenzierender Identität bildet“, erklären Litmeyer und Völker.

Eröffnung: 11. Juli 2019, 19 Uhr
Künstlerhaus Güterbahnhof, Beim Handelsmuseum 9, 28195 Bremen
12./13. Juli 2019, 11 bis 19 Uhr und 14. Juli, 11 bis 17 Uhr
Arash Ghelich Khani, Zainab Haidary, Masha Karpushina, Julija Paškevičiūtė

Zum Abschluss stellt eine Vierergruppe im Künstlerhaus Güterbahnhof aus. Im Zusammenspiel verlassen sie mit ihren Werken etablierte Strukturen und versuchen, Mechanismen zu überwinden, wie Objekte und Geschichte/n wahrgenommen werden. Ihre Werke tragen Titel wie „histo-project“, „Creature Responsible“ oder „The Thing“. Masha Karpushina hinterfragt in ihrer audiovisuellen Arbeit die Wirkung von Geräuschen in einer visuell dominierten Welt und arbeitet den Unterschied zwischen Stille und Geräuschlosigkeit heraus. Arash Ghelich Khani wirft einen Blick auf die künstlerische Darstellung sowohl von Vergangenheit als auch von Zukunft. Abbildungen von zukünftigen Szenarien, zu einer bestimmten Zeit in der Vergangenheit erstellt, bilden für ihn ein zwar zweckmäßiges, aber nur unvollständiges und subjektives Konstrukt.

Der Studiengang Freie Kunst an der HfK Bremen entfaltet seine Wirkung mit der ihm immanenten freien, am Dialog orientierten Lehrform über Disziplingrenzen hinweg. Eine konzeptuelle Herangehensweise steht dabei klaren individuellen Perspektiven nicht im Wege. Die Professor*innen, selbst renommierte Künstlerinnen und Künstler, unterstützen und begleiten die Studierenden im ständigen Dialog auf ihrer Suche nach der eigenen kreativen Identität. Darunter zum Beispiel auch die den Deutschen Pavillon auf der Kunstbiennale in Venedig bespielende Professorin Natascha Süder Happelmann. Mit den 16 professionell ausgestatteten und betreuten Werkstätten an der HfK Bremen – dem Mittelpunkt und selbst ernannten „Herzstück“ – gibt es ein weiteres großes Plus, das neugierig macht und anlockt. Die Werkstätten und deren Leiter*innen stellen Möglichkeiten zur Verfügung, dem eigenen künstlerischen Handwerk nachzugehen, Konzepte zu entwerfen und mit unterschiedlichen Materialien zu experimentieren. Die für die HfK Bremen spezifische interdisziplinäre, klassen- und fachübergreifende Durchlässigkeit wird ergänzt durch eine enge Kooperation mit anderen Kunstinstitutionen und Hochschulen.

Aktuell belegen von den etwa 1.000 Studierenden der Hochschule für Künste Bremen 119 den Diplomstudiengang Freie Kunst. Das ungebrochene und stetig wachsende Interesse junger Menschen an der interdisziplinär und kooperativ arbeitenden HfK Bremen zeigen die Onlinebewerbungen für das Wintersemester 2019/2020: Allein 330 junge Künstler*innen bewarben sich bis zum 30. April 2019 für den Studiengang Freie Kunst, weitere 1.600 für die anderen Studiengänge in den beiden Fachbereichen Musik sowie Kunst und Design.