Vom 3. bis 20. September stellen Absolvent*innen des Studiengangs
Freie Kunst im Rahmen der Diplomausstellungen 2020 an unterschiedlichen
Orten ihre Abschlussarbeiten aus: auf der Überseewiese unter freiem
Himmel, im Auditorium des Speicher XI und in der Galerie der
Dechanatstraße. Da die Diplomausstellungen aufgrund der
Hygieneregelungen leider nicht öffentlich sein können, geben wir ab 3.
September sukzessive Einblicke in die Arbeiten von Malerei und Zeichnung
über Installation und Plastik bis hin zu Film und Performance.
Arbeiten der Ausstellungen am 3.9.–6.9.2020
Zur Arbeit von Lucas Kalmus:
„Heute, in einer umfassenden Krise von globalem Ausmaß in der Ökologie, Weltwirtschaft und der Psychologie der Einzelnen macht es wenig Sinn in immer hektischeren Gesten mehr und mehr Schichten aufzutragen um den fauligen Kern zu verbergen. Vielmehr kann man die Gelegenheit nutzen um sich zurück zu erinnern an die Grundprinzipien, die eine so fortgeschrittene und entwickelte Menschheit mit Gesellschaftsstruktur erst möglich gemacht haben und an welcher Stelle Missverständnisse, Misskommunikation und Ego Probleme von Individuen zu weitreichenden Zivilisationskrankheiten geführt haben. Meine Diplomarbeit where dreht sich um die Funktionen des öffentlichen Raumes, wie dieser zur Weltwahrnehmung und zur Gemeinschaftsbildung beiträgt. Die drei Pavillons spiegeln und konterkarieren die homogene Verbreitung einer ‚Europäischen Stadt‘ und die damit verbundene Reproduktion von einem Materialismus, der seine Wurzeln immer noch Postkolonialen Beziehungen und patriarchalen Strukturen hat. Die Repräsentation von exklusivem Wohlstand sind in der Arbeit ein ebenso wichtiger Referenzpunkt wie die Inklusivität der ‚Urhütte‘. Shelter, Support, Openness sind gleichermaßen strukturelle Eigenschaften einer Urhütte als auch abstrakte Werte eines Zuhause-Gefühls“
Zur Arbeit von Patrick Peljhan:
„VIVA VOCE
Ein Kurzfilm von Patrick Peljhan
Erscheinungsjahr: 2020
Dauer: 20 Minuten
Viva Voce (lateinisch für “mündliche Überlieferung”, viva “lebendig” und voce “Stimme”) wird bis heute als Fachbegriff in den Bereichen Politik, Recht und Akademia verwendet, wo es die mündliche Stimmabgaben, Beweise oder Prüfungen bezeichnet.
In seinem Kurzfilm “Viva Voce” erzählt Patrick Peljhan die Migrationsgeschichte seiner Familie und verhandelt die mit ihr verwobene “kollektive Zeitgeschichte” neu. Ausgangspunkt ist dabei der Zerfall Jugoslawiens Anfang der 90er-Jahre und der sein kurz darauffolgender erster Besuch in der kroatischen Heimatstadt seines Vaters.
An Hand von Archivmaterial der Tagesschau, alten VHS-Familienaufnahmen und neueren Aufnahmen aus der Recherche spricht Peljhan aus dem Off und wechselt dabei zwischen freiem Erzähler und kritischem Beobachter.“
Zur Arbeit von Shirin Mohammed:
„Title: A house then, a museum now: chapter one, wind of 120 days | multimedia installation | 2020
Installation shots by Jiye Lee
Shirin Mohammad presents a multi-media installation that immerses the viewer into a factory town that she investigated while researching areas of exile in Iran. This display was a preface to a research on the history of internal exile in Iran; a former Asbestos Industrial Complex was taken as a model of a city of exile. Different parts of the complex included accommodation for the workers and their families, accommodation for the managers, engineers and their families, a mosque, the main factory building and the asbestos mine at the foot of the mountain. It is located in a desert climate exposed to the Wind of 120 Days; today all factory grounds are deserted.“
Zur Arbeit von Sebastian Moske:
One Night in Klein Mexiko / Dear (2020)
Video-Installation in der Spedition beim Güterbahnhof
„Für seine Diplomarbeit über die Westphalensiedlung in Bremen, Hastedt arbeitete Sebastian Moske mit fünf Performer*innen vor Ort und über's Telefon/Internet während des Lockdowns, wobei der inoffizielle Name der Siedlung »Klein Mexiko« der Ausgang der Arbeit ist.
Billy the Kid, Ballroom-Culture, Männerphantasien und Sozialbau der 20er Jahre in Bremen sind narrative Bausteine der gemeinsamen Improvisationen.
Sebastian Moske studierte von 2006-2010 an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg Schauspiel, arbeitete im Festengagement am Theater und ist seit 2014 Teil der Klasse »Erweiterte Ideen von filmischen Räumen und konzeptuelle Fotografie« von Rosa Barba (HfK Bremen).
In seinen Arbeiten untersucht er im Dialog mit Performern, bildenden Künstlern und Musikern Literatur und Story-telling auf seine Möglichkeiten zwischen Berührung, Flirt, Verführung und der Gewalt von Übersetzungen.“
Zur Arbeit von Ul Seo:
„‘What to think’ and ‘What to do’ are common pressures in Korean society. Most of these forces are focused on being worthy economically or established in society. And they are being kept under control through media, education and lifestyle.
Also, being exposed to this pressure for a long period of time, people are thinking they are leading their life under the illusion of living a valuable life.
Through these repeated pressures, at some point people live like a machine or a component for the purpose and value desired in Korean society.
Life in Germany is not much different. It continues unconsciously to be subjected to this compulsion. And I am forced to repeat the question, "Am I a valuable person in this society?" The framework of pressure remains.
In the repetition of being under pressure I came to ask myself at one point, whether the values that are communicated to me are really my own values.
At the same time, I discovered the value of repetitive actions and materials, not the value given by society, by repeating invaluable, useless acts that are commonly used in Korean society and completing the repeated actions at some point through my own regulations.
What I realized by repeating the same behavior is that there are countless processes of change in the small areas of everyday life. I looked back on my work differently and discovered unexpected things that I could not find at any moment before. The lines all seemed the same for example, but if I change my attitude and look at them slowly, they are all different sizes and different shapes. Through this, I found that if the seemingly unworthy acts, time and materials are accumulated and stacked, it has some different values as itself, which is not given by society.“
Zur Arbeit von Sabine Peter:
„Im Rahmen der Diplomausstellungen 2020 stellt Sabine Peter (Klasse Prof. Wendelien van Oldenborgh) ihre Abschlussarbeit aus. Ihre Arbeit besteht aus
unterschiedlichen Keramikobjekten, die den Versuch, eine Stimme zu zerstreuen, beschreiben.
Auch setzen sich die Objekte mit all den Umwegen auseinander, auf die einen das Material Ton führt. “
Arbeiten der Ausstellungen am 10.9.–13.9.2020
Zur Arbeit von Tomma Köhler:
„Diplomausstellung „combined conclusions“
Bühnenraum 1 „they seemed to like it“
Bühnenraum 2 „einer ist hingefallen“
Bühnenraum 3 „Aktion“
Ich studiere seit 2014 in der Klasse für künstlerische Raum und Körperkonzepte, bei Markus Löffler und André Korpys. In meinen Arbeiten verbindet sich mein Interesse an Performance, Szenografie und Bildhauerei. Ein Schwerpunkt liegt in der Beschäftigung mit Definitionen. Skulptur, Objekt, Bühne, Raum. Hier wird das Spiel mit Definitionen in ein Spiel von Material übersetzt. Es wird skulptural mit Papier und Metall gearbeitet. Auch Videoarbeiten sind teil von Rauminstallationen in denen ich Szenen skizziere, die neben der Auseinandersetzung mit dem Raum auch meine Auseinandersetzung mit der Gesellschaft und deren Außenseiter beinhalten. Die in der Diplomausstellung gezeigten Objekte fungieren teils als Charaktere, teils öffnen sie einen Spielraum im Kopf der Betrachtenden Person, der durch weitere Gegenstände der Installation in den Ausstellungsraum transportiert wird.“
Zur Arbeit von Laura Pientka:
UBPCS_Ultimate Beneficial Pipeline System
Soundinstallation und Performance
„In der Galerie in der Dechanatstraße und in deren Außenbereich ist ein Rohrsystem aufgebaut, welches sich parasitär auf dem Boden ausbereitet und ebenso plötzlich verschwindet, wie es auftaucht. Das Rohrsystem besteht aus bis zu einem Meter langen Keramikrohren, insgesamt erstreckt sich eine über vierzehn Meter lange Installation. In dem System wird etwas transportiert, dass mit bloßem Auge nicht sichtbar ist. Durch die verlegten Rohre hallen lediglich Klänge. Diese laden zum Schmunzeln ein, denn sie klingen wie Darmwinde. Woher diese kommen und wohin sie gehen, bleibt offen.
Die Künstlerin ist durch ihre Performance aktiver Teil des Werkes. In minutiöser Arbeit hält sie die Rohrverbindungen mit einer klebrig fließenden Masse dicht. Die Prozedur des „Stopfens“ wird im Laufe des Tages ohne Rhythmus wiederholt. Es besteht ein Spannungsverhältnis zwischen dem von der Künstlerin getragenen, eher männlich konnotierten Blaumann und der fragilen Keramik, die oftmals einer Konnotation der „schönen“ und „weiblichen“ Handwerkskunst unterliegt.“
Zur Arbeit von armin Wischkony.
„sitze ich
zwischen den Platten ich
suche den Halm zwischen
mir
ist auch das Rattangeflecht
bekannt mir
ist alles Gewebe bekannt
ich will den Halm was
zieht den Kirchturm nach oben was
machst du da oben
springst du jetzt oder nicht ich
will mich abtrocknen mir
ist ein bisschen kalt ich
gurre nach dir
aus: Armin Wischkony, Brandweite, 2020
Lesung Brandweite
Rauminstallation, verschiedene Materialien
Audio Loop ca. 12 min.
2020“
Arbeiten der Ausstellungen am 17.9.–20.9.2020
Zur Arbeit von Chris Ghitulescu:
„Das Pressen vom Farbblut diverser Blütenblätter mittels Fingernagel in Papier, stellt seit ungefähr sieben Jahren das Zentrum meiner künstlerischen Praxis dar.
Mit der Wandinstallation und einzelnen Bilder strebe ich an, dies weiterzuentwickeln, indem ich meine Arbeit über die reine Performance des Zeichnens und fertige Zeichnung erweitere. Es gilt, das Potenzial des zugrundeliegenden Konzepts und dessen implizite, symbolische Materialität auch als installative Arbeit auszuschöpfen, als Installation neu zuschöpfen.
Die Rauminstallation (Stoff / Glas / Matratze) zielt darauf ab, Konzept und Material auf einer tieferen Ebene zu verbinden und atmosphärisch entsprechend zu verbinden. Es gilt, das Momenthafte durch die Beleuchtung zu betonen und mit dem statischen und doch leichten Aufbau der schweren Glasobjekte und schweren Matratze auszubalancieren ohne die Ambiguität und Ambivalenz der Material und Bedeutungsebene zu brechen.“
Zur Arbeit von Charline Zongos:
„In meiner Arbeit übertrage ich Malerei, durch das Arbeiten mit Stoffen und Lack auf Materialien wie Holz, Stahl, Schaumstoff, Folie oder auch Watte, sowie auf Böden und Wände.
Dadurch entsteht eine dreidimensionale Malerei im Raum, die begehbar ist und den Betrachter*innen die Möglichkeit bietet, sie von allen Seiten erfahren zu können.
Meine Inspirationsquellen haben dabei meist einen unerwarteten Ursprung und lassen freie Assoziationen zu. Aus diesen resultieren einzelne statische oder auch fragile Werke, die einen Bezug zum Raum und untereinander haben. Auch sehe ich meine Arbeit als lebenden Organismus, der gepflegt werden und sich entwickeln möchte.
Es gibt somit keinen fertigen beschränkten Zustand oder eine gelöste Zusammensetzung. Das Werk kann sich während einer Ausstellung verändern. Der Organismus soll wachsen, sich wiederholen, vom Raum Besitz ergreifen, ihn sich zu eigen machen, sich selbst überlagern, umhüllen, verdichten und selbst zum Raum werden.“
Zur Arbeit von Paul Ole Janns:
„Einflüsse altmeisterlicher Malerei werden verwoben mit Comic und Graffiti. Ich benutze Sprühfarbe, Acryl-und Ölfarbe auf Leinwand. Die Motive sind mein alltäglich Erlebtes. Durch Perspektivenspiel, übersteigerte Darstellung und eine intensive Farbigkeit entstehen groteske und humorvolle Bildwelten.“
Zur Arbeit von Ji Yoon Chung:
„I believe we are living in a world where our identities can shift around at any time. It is not fixed, it is fluid.
My works talk about these identities. Whether be it gender or any other attributes, I am aware of the power and the gaze that stick to me as I 'wear' certain identities.
I use my body as a tool, as a starting point to subvert the notions that are embedded inside cultures.“