Installation „Anweisung für die Welt“ lotet Grenzen von Erfahrung und Erkenntnis aus und bringt sie in überzeugenden skulpturalen Formen zur Anschauung.
Noriko Yamamoto, Meisterschülerin der Hochschule für Künste Bremen in der Klasse Yuji Takeoka, ist die Preisträgerin des Kunstpreises des Freundeskreises der HfK 2011. Der Kunstpreis des Freundeskreises ist der höchstdotierte Kunstförderpreis aller Kunsthochschulen in Deutschland. Ermöglicht wird er dank der großzügigen Unterstützung der Karin und Uwe Hollweg-Stiftung. Der Preis ist mit insgesamt 15.000 Euro dotiert, wobei eine Hälfte als Preisgeldes direkt an die Preisträgerin bzw. den Preisträger geht, die zweite Hälfte vom Preisträger als Projektmittel für die Realisierung eines Ausstellungsprojektes genutzt werden sollen.
Noriko Yamamoto überzeugte die Jury mit drei raumbezogenen Installationen. Im Mittelpunkt ihrer Arbeit „Anweisung für die Welt“ steht ein komplexes turmartiges Gebilde, welches aus einhundert weißen quadratischen Platten zusammengesetzt ist. Viele dieser Platten haben kreisrunde Löcher. Die scharnierartig miteinander verbundenen Flächen aber bilden zusammengefaltet einen kompakten weißen Quader mit einem konischen Hohlraum darin. Eine Leerstelle, die sich durch das Übereinanderlegen der Löcher ergibt, aber innerhalb der kompakten Quaderform komplett den Blicken entzogen ist. Dieses Gebilde ist eine Parabel für die Möglichkeiten und Grenzen von Erfahrung und Erkenntnis. Für ein Verhältnis von Innen und Außen. Auch dafür, dass etwas existieren kann, gerade weil es den Blicken entzogen ist und dass Wahrnehmung immer nur einen Teilaspekt von Wirklichkeit zu erfassen in der Lage ist.
Noriko Yamamoto selbst hält dafür wiederum eine alte buddhistische Parabel bereit:
„Einige Blinde untersuchen verschiedene Körperteile eines Elefanten: ein Ohr, Bein, den Schwanz, Stoßzähne, den Rüssel, usw. Jeder dieser Blinden ist überzeugt, aufgrund des Teils, den er betastet hat, das wahre Wesen des Elefanten begriffen zu haben: Dass ein Elefant demnach wie ein Fächer sei, ein Baum, ein Seil, ein Speer, eine Schlange. Doch keiner sieht das Ganze."
Im Votum der Jury heißt es: „Weil sich in der Arbeit von Noriko Yamamoto analytische, prozessuale und philosophische Elemente die Waage halten und in überzeugenden skulpturalen und installativen Formen zur Anschauung gelangen, entschied sich die Jury einstimmig für sie als Preisträgerin des Kunstpreises des Freundeskreises der Hochschule für Künste Bremen 2011.“
Mitglieder der Jury waren:
- Dr. Anett Reckert, Künstlerische Leiterin der Städtischen Galerie Delmenhorst
- Stefanie Böttcher, Künstlerhaus am Deich
- Janneke de Vries, Direktorin der Gesellschaft für Aktuelle Kunst
- Patrycia de Bieberstein Ilgner, Karin und Uwe Hollweg-Stiftung
- Prof. Dr. Wulf Herzogenrath, Direktor der Kunsthalle Bremen
- Wolfgang Hainke, Bildender Künstler
- Peter Friese, stellv. Direktor Weserburg | Museum für moderne Kunst
Leitung der Jury: Prof. Dr. Peter Rautmann
Noriko Yamamoto, geboren 1969 in Osaka (Japan) studiert seit 2004 an der Hochschule für Künste im Studiengang Freie Kunst in der Klasse von Professor Yuji Takeoka. Nach ihrem Diplom im Jahr 2010 wurde sie Meisterschülerin bei Yuji Takeoka. Noriko Yamamoto war an Ausstellungen in Nagoya, Osaka, Kobe und Kyoto (Japan) beteiligt sowie in Deutschland u.a. in Düsseldorf und Bremen. „Wieso? Warum? - Am Anfang meiner Arbeit stehen regelmäßig viele Fragen“, sagt Norik Yamamoto. „Meine Arbeit ist für mich ein Experiment, um mir selbst Fragen zu stellen - und ebenfalls dem Betrachter. Ich arbeite stets in Serien, die sich häufig über mehrere Jahre erstrecken. Meine Themen sind unterschiedlich, zum Beispiel: Verbindung, Einfluss, Ort - Existenz, Schatten und vor allem Fragen von Realität und Erkenntnis.“
Über ihre Arbeit Anweisung für die Welt und die Parabel von den Blinden, die das Wesen eines Elefanten zu erfassen versuchen, sagt sie: „Diese Geschichte arbeitete für lange Zeit in meinem Gedächtnis. Sie soll aufzeigen, dass die Wahrheit sehr unterschiedlich verstanden werden kann - je nachdem, welche Perspektive man hat oder wählt. Ich war der Meinung, dass es schwer ist, etwas mit den verschiedenen möglichen
Blickwinkeln definitiv zu bestimmen. Greift man nur einen Teil auf, wird die vollständige Wahrheit dann erkannt? Ist die Realität nicht ein Ganzes sondern nur eine Ansammlung der individuellen
Erkenntnisfragmente? Beleuchtet man die Dinge, taucht nur ein Bruchstück auf. Alles andere bleibt immer in der Dunkelheit des Schattens.
Neben Arbeiten Noriko Yamamotos Arbeiten versammelt sie Positionen von Bomee An, Imke Bullerkist, Guiyoung Gelhaus, Dorota Grund, Silke Parras und Milena Tsochkova aus den Klassen von Professor Stephan Baumkötter, Professor Peter W. Schaefer, Professor Yuji Takeoka und Professor Fritz Vehring.
Anweisung für die Welt
2011 Installation, Acrylbretter
als Objekt-Form : ca. 60 × 60 × 100 cm
als Fläche 150 × 150 × 0.1 cm
als Quader: 15 × 15 × 15 cm
Weitere Arbeiten von Noriko Yamamoto im Rahmen der Meisterschülerausstellung 2011:
Doch keiner sieht das Ganze
Video, 10 min. Loop, 2011
Dokumentationsfilm über “Anweisung für die Welt” mit 100 Fragen
Alles gehört nur zur Aufgabe, nicht zur Lösung
Installation, 2011
100 x 100 x 120 cm
Acryl, Styropor, Ton, Draht, Gewicht