Bis zum 1. Februar 2026 präsentiert das Künstler:innenhaus Bremen die Abschlusspräsentation „Spuren“ der Bremer Atelierstipendiatin 2025, Yoriko Seto. Die gebürtige Japanerin (*1975) schloss 2024 ihr Studium der Freien Kunst als Meisterschülerin bei Heike Kati Barath an der HfK Bremen ab und arbeitet mit Zeichnung, Animation, Künstlerinnenbüchern und Objekten. In ihrer Ausstellung vereint Seto einige Arbeiten des vergangenen Jahres, in denen sie zeichnerisch alltägliche Erlebnisse mit Erinnerungen verwebt und so über ihre Familie, ihr Aufwachsen in Japan und ihr Älterwerden in Deutschland reflektiert. Diese Spuren fügen sich zu einem Mosaik aus Erlebnissen, Erinnerungen und Reflexionen über das Leben und dessen Ende zusammen.
Grundlage für Setos künstlerische Praxis ist das Zeichnen. Seit 2017 führt sie regelmäßig Zeichentagebücher, um ihr persönliches Erleben festzuhalten. Indem sie scheinbar Banales – beiläufige Szenen, Gedanken, Beobachtungen – in ihren Zeichnungen festhält, setzt Seto dem Vergessen eine stille Form des Widerstands entgegen.
Seto zeichnet nicht nur ihre gegenwärtigen Gedanken und Erlebnisse, sondern nutzt das Zeichnen auch als Form der Erinnerung: aus zunächst abstrakten Linien erwachsen Erinnerungsfragmente an ihre im vergangenen Jahr verstorbene Freundin und Tante. Seto verwebt diese Erinnerungsbruchstücke in mehrmonatigen Schaffensprozessen zu meterlangen Kohlezeichnungen. Die Spuren der Erinnerung interessieren Seto dabei genauso wie die Spuren der Kohle auf dem Malgrund.
Ebenfalls aus der Verknüpfung von Erinnerungsspuren und Alltagsbeobachtungen entstand die Arbeit „uni“ (2025), eine übergroße aus Papier genähte japanische Schuluniform (Seifuku), die von einem Animationsfilm begleitet wird. Für dieses Werk übertrug Seto Pigmentflecken ihrer Haut und der ihrer Freundinnen zeichnerisch auf großformatiges Papier und fertigte daraus die Uniform. Die eigentlich nur einige Millimeter großen Hautflecken vergrößert Seto in den Zeichnungen auf fast einen Meter.
Anschließend zerknüllt sie diese Zeichnungen und versucht durch das Aneinanderreiben des Papiers die Flecken wegzuwischen – ähnlich wie sie und ihre Freundinnen den Flecken ihrer Haut mit Bleichcremes und Lasern begegnen. Diesen symbolischen Kampf mit gesellschaftlichen Schönheitsansprüchen und Fragen nach gesellschaftlicher Anpassung und Zugehörigkeit übertrug Seto in einen Animationsfilm, der die Uniform begleitet. Zu sehen sind animierte Zeichnungen einer homogenen Gruppe von Figuren.
Eine einzelne Figur wird von großen Händen herausgezogen und anschließend mit einer Creme betupft. Die Finger der übergroßen Hände verwickeln sich mit der Figur. Seto verknüpft ihre Überlegungen über die Spuren ihres Älterwerdens mit Erinnerungen an ihre Schuluniform, die sie als junges Mädchen in Japan trug. Die Seifuku sind in Japan an das Design der Militär- und Marineuniform der Meiji-Ära angeknüpft und können ein Spiegelbild für die gesellschaftlichen Ansprüche an Einheitlichkeit und Makellosigkeit sein. Setos individuelle Perspektiven und ihr persönliches Erleben verdichten sich in ihrer künstlerischen Praxis zu Spuren universeller Empfindungen.
Kuratiert von Clara Kramer
