Montag | 17. Juni 2019

„Ruinöse Räume“

Summer School „Beyond Repair“ der Hochschule der Künste Bremen auf der Kunstbiennale in Venedig
HfK-Studierende bei Vortrag der HfK-Summer School in Venedig © Carla Warneboldt

Professorin Natascha Sadr Haghighian, Professorin für Bildhauerei, zum Anlass, eine Summer School vor Ort mit Seminaren, Inputs, Walks und Performances abzuhalten. „Beyond Repair“, so der Titel der Summer School, findet noch bis zum 28. Juni 2019 statt und gibt drei Studierenden-Gruppen die Gelegenheit, zum Thema „Ruinöse Räume“ zu arbeiten.

Die Hochschule für Künste Bremen sieht sich mit ihrer Lehre an der Schnittstelle zwischen interdisziplinärem und forschendem Ansatz, sie arbeitet fachbereichsübergreifend und über gesteckte Disziplingrenzen hinweg. Die Summer School „Beyond Repair“, die von der HfK-Professorin Natascha Sadr Haghighian und von Ernest Ah organisiert wird, ist eine internationale Kooperation mit drei anderen (Kunst-)Hochschulen. Die Biennale wird auf diese Weise nach Bremen und in die HfK zurückgespielt.

Den 60 HfK-Studierenden und Professor*innen aus den beiden Bereichen Kunst und Design sowie Musik schließen sich weitere Gruppen von der Staatlichen Hochschule für Gestaltung Karlsruhe, der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig und der Università Iuav di Venezia an. Veranstaltungsort wird neben dem Deutschen Pavillon das Gelände Esperienza Pepe auf dem Lido sein.

Ausgangspunkt der Summer School ist die Gestaltung des Deutschen Pavillons in den Giardini. Die Installation trennt eine Seite, das Innen – karg, trist, voller Felsbrocken und mit aus der Wand des Dammes sickernden Rinnsalen –, von der anderen Seite, dem Außen. Dieses wird dominiert von provisorisch wirkenden Baugerüsten, Gemüsekisten, Trillerpfeifenmusik aus Lautsprechern. Das Statement: Die Festung Europa kapselt sich ab und sperrt Fremdes aus – und wird zum „Ruinösen Raum“.

Das Programm der Summer School thematisiert am historischen Ort Venedig die Vergänglichkeit. „Das Studienprogramm ‚Beyond Repair‘ hat drei Teile, die darauf angelegt sind, den historischen Kontext und den konzeptuellen Rahmen verschiedener ruinöser Räume und Konzepte zu untersuchen, Verbindungen und Resonanzen zwischen ihnen zu verstehen und ihre scheinbare Unveränderbarkeit und natürliche Gegebenheit in Frage zu stellen. Es geht um die Trauer über das, was nicht repariert werden kann, und zugleich darum, Strategien des Überlebens, temporäre widerständige Formationen und unvorhergesehene Nutzungen ruinöser Räume zu betrachten, zu entwerfen, zu praktizieren.“

Aus dem Programm:
Die drei Gruppen bekommen jeweils im „Ankersentrum“ (Deutscher Pavillon) eine Einführung durch die Künstler*in, die für die Arbeit in Venedig unter dem Namen Natascha Süder Happelmann auftritt.

In der Zeit vom 12. bis zum 18. Juni wird eine Gruppe zum Thema „Architektur“ aktiv sein. Andreas Müller von der Kooperative für Darstellungspolitik nimmt die Studierenden mit auf den Weg durch die Giardini; dort werden die anderen Länder-Pavillons angeschaut und die verschiedenen Baustile und „Elemente als nationale Narrative“ miteinander verglichen. Asli Serbest (HfK-Professorin für Temporäre Bauten) und die Künstlerin Mona Mahall erforschen die derzeitigen baulichen Zustände der Pavillons als Sinnbilder von Ruinen. Ingo Vetter (HfK-Professor für Bildhauerei mit klassischen Werkstoffen) betrachtet mit den Studierenden verlassene Gebäude in der Umgebung des Esperienza Pepe und äußert Gedanken zum Verfall ganzer Viertel und Städte, wie beispielsweise in Detroit durch den Niedergang der amerikanischen Automobilindustrie.

Die Gruppe „Akkumulation“ (17. bis 23. Juni) analysiert unter anderem mit Sami Khatib von der Freien Universität Berlin die zugrundeliegende Verbindung zwischen Kapitalismus, Kolonialismus und Imperialismus nach Rosa Luxemburg und Karl Marx. Avery Gordon (Professorin der Soziologie an der University of California, Santa Barbara) hält einen Vortrag mit anschließendem Workshop zum Thema „The Plantation and the Prison“. Gordon geht dabei ein auf die im Vorfeld vom Deutschen Pavillon veröffentlichten Videos der Künstler*in Natascha Süder Happelmann, die Anonymität und Individualität gegenüberstellen.

Die abschließende Gruppe „Individuum/Körper(-praktiken)“ (22. bis 28. Juni) verbindet einen Vortrag von Stefan Pente (HfK-Professor für Bildhauerei) zur „Verwendung von weißem Marmor in der Bildhauerei und dessen Einfluss auf ein idealisiertes Bild von Schönheit seit der Antike“ mit einem Workshop. Ashkan Sepahvand (HfK-Lehrbeauftragter im Bereich Artistic Research) bietet der Gruppe ein Seminar zur Vergänglichkeit des Körpers an, das seinen Höhepunkt in einem „geführten Todesritual“ finden wird. Mona Schieren (HfK-Dozentin für Theorie und Geschichte der Kunst) erarbeitet in einem weiteren Seminar mit den beteiligten Student*innen die theoretischen Konzepte einer „Körperresonanz“ (Atmung, Bewegung) und wendet diese auf ausgewählte Projekte der Biennale-Pavillons an.

Die Webseite der Hochschule für Künste Bremen veröffentlicht laufend Neuigkeiten von der Biennale in ihrem „Venedig-Dossier“. Der HfK-Instagram-Account postet live aus Venedig, das HfK-Hochschulradio Radio Angrezi sendet jeden Abend vor Ort ab 22:30 Uhr.