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Thursday | 20 June 2019

Interessierte aus der ganzen Republik für Kolloquium „Piktogrammatik“ zu Besuch im Speicher

Reges Interesse von Studierenden und vor allem externen Besucher*innen
Eindrücke von der zweitägigen Fachtagung „Piktogrammatik“ © Saskia van der Meer

Piktogramme – Symbole, die komplexe Inhalte vereinfacht bildlich darstellen. Zur wissenschaftlichen Bedeutung von Piktogrammen lud die Hochschule für Künste Bremen zu einem Kolloquium ein. Am 18./19. Juni 2019 referierten Kunsthistoriker*innen, Kultur- und Medienwissenschaftler*innen sowie Künstler*innen zur Idee einer Piktogrammatik als Ordnung und Unordnung unserer grafischen Darstellungsweisen von Wissen und Welt. Das Kolloquium war Studierenden, Lehrenden und der Öffentlichkeit zugänglich.

In elf Fachbeiträgen wurde über die Legitimität der grafischen Darstellung in Wissensprozessen diskutiert. Veranstaltet wurde die Tagung von Annette Geiger, seit 2009 Professorin für Theorie und Geschichte des Designs an der HfK Bremen, und der Dipl. Designerin und Lehrbeauftragten Bianca Holtschke. „Ohne die Allgegenwart von Piktogrammen ist unser Alltag nicht mehr denkbar. Neben den Versuchen, Ordnung in unsere Erkenntnisse zu bringen, nehmen aber auch die anarchischen Weisen des Bedeutens zu: Vom Cartoon zum Zeichentrick, vom Graffiti zum Animationsfilm u. a. wurden in der Populärkultur alternative Bildlichkeiten erprobt, die nicht ohne Einfluss auf die Piktogrammatik bleiben. Die Ordnung der Bilder findet sich immer wieder unterlaufen und erweitert. Welche Kompetenzen setzt das Lesen von Bildern heute voraus?“

Die Tagung erfreute sich eines großen Besucher*innenzulaufs, wenn auch durch die HfK-Summer School und die Vorbreitungen für die Jahresausstellung weniger Studierende als erhofft. Dafür hatten Gäste aus Kassel, Berlin, Frankfurt und auch zahlreiche Bremer den Weg gefunden in den Speicher.

„Die Tagung warf vielfältige Schlaglichter auf die gestalterischen Aspekte der „Piktogrammatik“, jene Ordnung der Bilder und Zeichen, die uns im Alltag umgeben. Wie oft Bilder leichtfertig mit der Wirklichkeit verwechselt werden, machten die Vorträge immer wieder deutlich. So zeigte Rolf Nohr (Braunschweig) sehr humorvoll: Man weist auf das Röntgenbild seines Beins und sagt „Das ist mein Bein“. Dabei ist es doch nur das Bild von dem Bein, eine Interpretation desselben, die Wissen und Erkenntnis verspricht, die Regeln der Lektüre aufstellt und uns damit handlungsfähig macht. Nicht anders funktionieren Piktogramme, als Bildsprache müssen sie pragmatisch überzeugen. Ein eindeutiges Richtig und Falsch kann daher eigentlich nicht ausgemacht werden, wie Bianca Holtschke (Bremen) nachwies. Und doch manifestiert sich in unseren Zeichen immer auch unsere Vorstellung von Welt – als Fiktion und Projektion, als Wunschvorstellung und als gestaltete Wirklichkeit. Eine Wissenschaft des Designs gibt es trotz allem nicht, eher eine Rhetorik desselben, so zeigte Pierre Smolarski (Wuppertal/Bielefeld). 

Und doch sind unsere Wissensprozesse darauf angewiesen immer auch Bilder zu produzieren, wie insbesondere Joosten Müller (Bremen) ausführte. Auch in den Naturwissenschaft benötigen wir Anschauungsmodelle, um zu begreifen, was wir eigentlich denken, z. B. wenn wir nachvollziehen wollen, wie ein Virus aussieht und vorgeht, wenn er in unserem Körper wütet. Die geometrische Modellierung ist eine Aufgabe des Designs. Ohne gestalterisches Wissen kann es kein Wissen über die Welt geben.

Doch gilt die Ordnung des Piktogrammatischen nicht nur in den Feldern der Wissensproduktion, sondern gerade auch in der Rezeption von nützlichen Alltagsbildern, wie die Überlegungen von Daniela Stöppel (München) zeigten: Selbst unser Denken der Ökonomie, z. B. in den Medien, bringt durch darstellende Quantifizierung Bilder, Balken und Diagramme hervor, die uns zu überzeugen suchen, wie es erstmals Otto Neurath mit seiner Bilderschrift Isotype unternahm. Aber auch in den Unterhaltungsformaten von Animationsfilm und Comic regeln Codes unsere Wahrnehmung, wie Carolin Scheler (Hildesheim) und Lukas Wilde (Tübingen) darlegten. Selbst scheinbar kindliche Bildsprachen beruhen auf komplexen sprachlich-visuellen Leseanweisungen, sie können unseren Alltag steuern durch Schilder und Gebote, aber auch erweitern durch die Reiche des Fantastischen im Film und in der Illustration.

Die künstlerischen Beiträge von Hannes Kater (Berlin) und Patrizia Bach (Berlin) rundeten die Tagung gelungen ab, sie eröffneten aber auch ein Feld des Ästhetischen und Möglichen, das in seiner ganzen Tiefe letztlich nicht begriffen bzw. begrifflich reduziert werden kann, sondern in seiner Fülle wahrgenommen und erfahren werden muss."