Antonin Artaud bereitet in seiner spektakulären Theatertheorie „Das Theater und sein Double“ ein Konzept vor, das weit über die Grenzen des Theaters führen sollte. Ausgehend von dem Vorwurf, das europäische Theater sei zu versteift auf die Sprache und habe den Blick für den eigentlichen Kern des Theaters – die Inszenierung – verloren, entwirft Artaud eine Idee des „metaphysischen Doubles“. Dieses, explizit nicht-sprachliche, Double korrespondiert mit den zahlreichen Facetten der Inszenierung, von denen die gesprochene Sprache höchstens ein Teil ist. Der Kontrast von Sprache und Inszenierung affiziert bereits in „Das Theater und sein Double“ eine Vielzahl von Bereichen innerhalb der Künste. Nicht beim Theater verharrend verweist Artaud auf Musik, bildende Kunst, Literatur, Aktionskunst (die heute in den Bereich der Performance fallen würde) etc. Artaud sucht nach einer Kunst, die „mit dem Leben übereinstimmt“ und uns Glauben lässt „an das, was uns das Leben möglich macht“. Die Grausamkeit, namensgeben für Artauds Konzept des „Theater der Grausamkeit“, ist Ausdruck dieses Willens zum Leben.
Noch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wirkte Artauds Suche nach Übereinstimmung bei dem Philosophen Gilles Deleuze, der in Zusammenarbeit mit dem Psychoanalytiker Félix Guattari die berüchtigten „Tausend Plateaus“ geschrieben hat. Die Frage (nach einer möglichen Übereinstimmung mit dem Leben) wird hier allerdings nicht aus der Perspektive der Kunst, sondern der Philosophie gestellt. Nach der eingehenden Beschäftigung mit Artauds Buch sollen die Ähnlichkeiten zwischen Artauds Double und dem Werden von Deleuze und Guattari herausgestellt werden, um zu zeigen, wie Kunst und Philosophie durch die Frage nach der Inszenierung konvergieren.