Das Wohnen sei zum alles bestimmenden Fetisch, zum eigentlichen Daseinsgrund geworden, schreibt der Journalist und Architekturkritiker Niklas Maak in seinem Buch Wohnkomplex. Warum wir andere Häuser brauchen (2014): „Man arbeitet, um schön zu wohnen.“ Der Traum von der schicken Immobilie muss teuer erkauft werden, meist mit geliehenem Geld. Für diejenigen, die sich keine Kredite leisten können, wird es vor allem in den Metropolen immer schwieriger, überhaupt (bezahlbaren) Wohnraum zu finden.
Die Wohnungsfrage ist so alt wie die Industrialisierung, die die Landbevölkerung in die Städte trieb. Denn Wohnen ist viel mehr als eine Sache des Stils eine Sache des Überlebens. Das weiß Niklas Maak und das wusste Heinrich Zille, Künstler und Chronist des Berliner „Milljöhs“ der Gründerzeit: „Man kann mit einer Wohnung einen Menschen genauso töten wie mit einer Axt.“ Dem existenziellen Charakter des Wohnens steht dessen durch das Recht auf Eigentum geschützter Warencharakter entgegen: Die noch so schlechte Behausung nicht als Dach über dem Kopf, sondern als Kapitalanlage, die nach Rendite strebt.
Zur Frage, wem die Stadt gehört und wer sich den „Mietenwahnsinn“ noch leisten kann, kommt die Frage der Wohnform. Denn die bauliche Organisation des städtischen Raums bis hin zu den Wohnungsgrundrissen – ob der standardisierte Neubau der 1960/70er Jahre, die Instandbesetzungen und selbstorganisierten Stadtreperaturen der 1980er Jahre oder das Loft Living von heute – gibt die Verfasstheit gesellschaftlichen Zusammenlebens wieder. Der Wandel der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung, der Konsumgewohnheiten, der Haushaltstechnik oder der Telekommunikation spiegelt sich in der Veränderung der Wohnkultur. Um die Konflikte, die sich zwischen Vorstellung und Wirklichkeit, Glück und Elend des Wohnens auftun, zu veranschaulichen und zu politisieren, galt neben der Fotografie schon früh der Film als ein prädestiniertes Mittel.
Das Seminar Zwischennutzung ist wie Trockenwohnen: Die Wohnungsfrage im Film thematisiert Geschichte, Gegenwart und Zukunft des Wohnens im Spannungsfeld der sozialen und ökonomischen Verhältnisse im Kapitalismus. Wir sichten, analysieren und diskutieren eine internationale Auswahl an städtebaulichen Lehr- und Informationsfilmen, dokumentarischen wie experimentellen Filmen in Bezug auf sowohl inhaltliche als auch ästhetische Belange, ergänzt durch das Studium filmtheoretischer und wohnungspolitischer Texte.
Der Kurs findet in drei Blöcken Ende April, Ende Mai und Ende Juni statt. Teil des Seminars sind die öffentliche Vorführung des künstlerischen Dokumentarfilms Good Life von Marta Dauliute und Viktorija Šiaulyte (2022?) am 26. Juni 2024 im CITY 46 und ein Kurzworkshop mit Marta Dauliute am darauffolgenden Tag. Good Life folgt einer Gruppe junger Menschen, die bei dem Stockholmer Co-Living-Startup Tech Farm wenige Quadratmeter große „Schlafkapseln“ mieten und dazu inspiriert werden, sich permanent selbst zu optimieren und ihr soziales Leben als Geschäftsbeziehung zu führen.
Die Erlangung der CP setzt die aktive Beteiligung sowie ein Referat mit schriftlicher Ausarbeitung oder eine Hausarbeit zu einem auf den Semniarinhalt bezogenen Thema voraus.